#39 - Zwei Sommer in Amsterdam. Teil 1


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Sep 23 2018 9 mins   164 1 0
Zwischen 1938 und 2018 Fast 30 Grad im Schatten. Um mich herum wuseln Menschen mit Regenbogenflaggen und wackelnden Penis-Hörnchen-Haarreifen. Sie plappern fröhlich. Ein Mix aus Sprachen. Hinter mir rattert eine Bahn vorbei, Fahrräder, Bromfietsen … mir wird ganz schwindelig, während ich auf das Haus starre, in dem die Widerstandszeitschrift Kameradschaft entstanden ist. Es ist eingehüllt in eine riesige, weißgraue Plastikplane. Renovierungsarbeiten. Plötzlich habe ich das Gefühl, in einem Wurmloch zu stehen. Vor meinem inneren Auge ist gerade 1938, während in der Realität der 04. August 2018 ist. Gaypride in Amsterdam. Es gibt diese Momente, in denen ich die Geschichte förmlich fühlen kann. Es ist eine fast körperliche Art des mentalen Begreifens. Im ICE nach Amsterdam habe ich noch einmal die invertito durchgescannt. Das Buch, in dem der Berliner Wissenschaftler Andreas Pretzel über die Bedeutung von Homosexualität im Widerstandskreis um Plato, meinen Großvater und Selma Meyer geschrieben hat. Denn ich plane schon die ganze Zeit diesen Artikel hier zu schreiben. Den Artikel über den Sommer 1938, in dem sich die Dinge in Deutschland weiter zuspitzen – und die zahlreiche junge Menschen, vor allem Männer, dazu veranlassen, zu fliehen.