Folge 415: Die Nacht in der der Mond verschwand


Episode Artwork
1.0x
0% played 00:00 00:00
Nov 05 2020 12 mins   1.5k 5 0
Zur Helligkeit von Finsternissen Sternengeschichten Folge 415: Die Nacht in der der Mond verschwand "In der fünften Nacht des Monats Mai schien der Mond hell am Abend. Danach wurde sein Licht Stück für Stück immer schwächer so dass es komplett verschwunden war als die Nacht begann. Es war so komplett ausgelöscht, das weder das Licht noch der Himmelskörper oder sonst irgendwas vom Mond sichtbar war. Und so ging es weiter bis fast zum nächsten Tag, als der Mond wieder hell und voll schien." Das steht genau so in der Peterborough Chronicle, einer Chronik zur englischen Geschichte aus dem 12. Jahrhundert. Beziehungsweise steht das dort natürlich nicht genau so; es steht dort in englisch geschrieben oder noch genauer gesagt, es steht dort auf mittelenglisch, also der Version des Englischen die man im 12. Jahrhundert in Angelsachsen gesprochen hat ("England" oder gar "Großbritannien" gab es damals noch nicht). Aber es soll heute ja nicht um Sprachwissenschaft gehen oder Geschichte. Sondern um Astronomie. Und da fragt sich der eine oder der andere vielleicht, was da jetzt so besonders an diesem Zitat ist. Da hat halt eine Mondfinsternis stattgefunden; warum die Aufregung? Ja, warum die Aufregung? Tatsächlich beschreibt der unbekannte Chronist hier eine Mondfinsternis. Der Eintrag bezieht sich auf das Jahr 1110 und - wie wir heute immer noch problemlos berechnen können - fand am 5. Mai 1110 eine Mondfinsternis statt, die von Europa aus sichtbar war. Aber wer schon mal eine Mondfinsternis gesehen hat wird merken, dass an dem Text irgendwas seltsam ist. Wenn die Erde genau zwischen Sonne und Mond steht und der Erdschatten den Mond verdunkelt: Dann wird er nicht völlig finster. Ein wenig Sonnenlicht wird noch durch die Atmosphäre der Erde hindurch in Richtung Mond gestreut. Vor allem der rote Anteil des Lichts, weswegen der Mond nicht dunkel ist, sondern rötlich leuchtet - wie ich auch schon ausführlich in Folge 295 der Sternengeschichten erzählt habe. Der Chronist hat sich aber extra bemüht darauf hinzuweisen, dass das Licht des Mondes komplett ausgelöscht war. Es war kein Licht des Mondes zu sehen; auch nicht der verdunkelte Mond. Es war gar nichts zu sehen. "Und?", denkt sich jetzt vielleicht wieder die eine oder der andere. Dann war es halt bewölkt. Das kommt vor, vor allem in England… Der Chronist hat aber im folgenden Text noch hinzugefügt: "Die ganze Nacht über war der Himmel sehr klar und die Sterne schienen überall am Himmel sehr hell". Also: Klarer Himmel, eine Mondfinsternis - aber eine Mondfinsternis die so eigentlich nicht vorkommen sollte. Es war eine "dunkle Finsternis", was ein wenig unsinnig klingt. Aber weil eine Mondfinsternis eben normalerweise nicht dunkel ist, macht dieser Begriff durchaus Sinn. Übrigens gibt es eine eigene Skale mit der man die Dunkelheit einer Mondfinsternis klassifizieren kann. Sie wurde nach dem französischen Astronom André Danjon benannt und heißt demnach "Danjon-Skala". Die Helligkeit der Finsternis (ja, tut mir leid - aber das kann man nicht anders ausdrücken) wird dabei durch eine Zahl L beschrieben die Werte zwischen 0 und 4 annehmen kann. Bei L=4 hat man eine Mondfinsternis bei der der Mond orange erscheint, mit einem sehr hellen, fast schon bläulichen Rand. Bei L=3 kriegt man eine eher hellrote Mondscheibe zu sehen, bei L=2 ist der Mond dunkelrot und bei L=1 fast schon grau-bräunlich. Bei einem Wert von L=0 ist der Mond dann quasi unsichtbar. Wie hell eine Finsternis erscheint hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, zum Beispiel davon, wie zentral der Schatten der Erde auf den Mond trifft. Wenn der Mond vom Erdschatten quasi nur gestreift wird, dann ist er heller als sonst. Aber, wie ich vorhin schon gesagt habe, selbst wenn der Erdschatten ganz zentral auf den Mond trifft, dann sollte immer noch ein bisschen Sonnenlicht durch die Erdatmosphäre in Richtung Mond gelenkt werden so dass er nicht komplett finster erscheinen kann. Wie das passiert häng [...]