Sollten Gesichtserkennungs-Technologien verboten werden? – Rechtsbelehrung Folge #73


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Feb 17 2020 77 mins   691 1 0

Bringt die Gesichtserkennungs-Technologie einen Zuwachs an Sicherheit und Bequemlichkeit oder ist sie der Weg in die totale Überwachung ohne Privatsphäre? Wir diskutieren in dieser Folge über die Vorteile, Nachteile und den rechtlichen Rahmen der Gesichtserkennungstechnologien.

Effektive und günstige Sicherheit?

Die Gesichtserkennungs-Technologie wird vor allen von Sicherheitsbefürwortern angepriesen. So soll die Sicherheit durch automatische Erkennung von verdächtigen Subjekten anhand biometrischer Gesichtsmerkmale effektiver und kostengünstiger werden.

Aber auch über Sicherheitszwecke hinaus, kann Gesichtserkennung kommerziell, z. B. zwecks Darstellung einer auf das Geschlecht oder Alter zugeschnittener Werbeanzeigen oder zur Steigerung der Bequemlichkeit als eine Mensch-Maschine-Schnittstelle eingesetzt werden.

Verlust der Privatsphäre?

Kritiker finden dagegen, dass das Risiko der Erstickung freiheitlicher Grundwerte durch diese mutmaßlichen Vorteile keineswegs aufgewogen wird. Vielmehr sehen sie die Gefahr einer flächendeckenden Überwachung, die jederzeit von politischen Kräften missbraucht werden kann. Sie fordern daher, dass die Gesichtserkennung per Gesetz verboten oder nur in einem engen Rahmen erlaubt wird.

Clearview-Skandal

Wir besprechen beide Positionen und beginnen mit dem Skandal um die von über 600 US-Polizeidienststellen eingesetzte Gesichtserkennungssoftware Clearview. Sie hilft den Behörden potentielle Täter (aber wohl auch Opfer zu erkennen) und greift auf Bilder zu, die in sozialen Netzwerken hochgeladen oder über die Google Bildersuche zu finden sind.

Dabei betrachten wir den rechtlichen Rahmen für Sicherheitsbehörden, als auch für Unternehmen und Privatpersonen nach der DSGVO.

Von der Überwachungsgesellschaft zur totalen Kontrolle

Anschließend diskutieren wir über die möglichen Risiken für die Meinungsfreiheit und die Privatsphäre als Grundlagen einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft. Dabei fragen wir uns, ob die Gesichtserkennungstechnologien eine Zäsur der Überwachung darstellen.

Die heutigen Überwachungsstrukturen werden mit einem panoptischen Modell beschrieben. D.h. die überwachten Personen sollen sich aus Angst, dass ihr Verhalten beobachtet wird, von sich aus disziplinieren.

Wenn dieser „jemand“ jedoch durch Maschinen ersetzt wird, an ein das Netz bereits vorhandener Überwachungskameras und das Internet gekoppelt sowie jedermann zur Verfügung gestellt wird, dann nähern wir uns einer so genannten Kontrollgesellschaft.

Anders als bisher, wird die Überwachung dann von örtlichen und menschlichen Schranken losgelöst und kann durch jedermann, zu jederzeit und überall stattfinden (auch bezeichnet als Superpanoptikum oder Postpanoptikum).

Diese totale Kontrolle könnte vor allem dazu führen, dass Menschen sich im öffentlichen Raum nicht mehr frei fühlen können. Die Angst vor Sanktionen für die kleinste unerwünschte Abweichung von sozialen Normen könnte sie daran hindern, sich politisch zu betätigen, Kritik an Misständen zu üben oder gar Ideen austauschen und sich mit anderen Menschen zu treffen.

Ihre Meinung und Vorschlag für die nächste Folge

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Hören und freuen uns auf Ihre Ansichten. Dabei sind wir gespannt ob Sie unsere Gedanken teilen, vielleicht doch zu viel Dystopie heraushören oder die Risiken gar noch höher einschätzen.

P.S. Diese Folge widmet sich den Grundsätzen des Rechts und orientiert sich vor allem an philosophischen und sozial-wissenschaftlichen Ideen.

Daher fragen wir am Ende, ob Sie sich in den kommenden Folgen „handfesteres Recht“ zum Thema Videoüberwachung wünschen. D.h. Erläuterungen wann z.B. Überwachungskameras bei der Arbeit oder auf dem Privatgrundstück, Klingelkameras an der Haustür, Dashcams im Auto oder Kamera in Drohne eingesetzt werden dürfen. Falls ja, bitte sagen Sie uns in den Kommentaren Bescheid.

Zeitmarken

  • 00:03:00 – Der Clearview-Skandal.
  • 00:08:00 – Gesichtserkennung und biometrische Daten.
  • 00:11:30 – Ist die Gesichtserkennung rechtlich erlaubt?
  • 00:19:0 – Wann bedarf die Gesichtserkennung einer ausdrücklichen Einwilligung und wann darf sie von Polizeibehörden eingesetzt werden?
  • 00:23:00 – Erfahrungen beim Test der Gesichtserkennung am Bahnhof Südkreuz in Berlin und Einsatz der Gesichtserkennungstechnologien beim G20-Gipfel in Hamburg.
  • 00:28:30 – Dürfen öffentlich verfügbare Bilder, z.B. aus sozialen Netzwerken, für Zwecke der Gesichtserkennung verwendet werden?
  • 00:39:00 – Wäre ein Verbot der Gesichtserkennung durch die EU sinnvoll?
  • 00:42:00 – Gesellschaftliche Worst-Cases durch Erstickung der freien Meinung und Verfestigung sozialer Ausgrenzung.
  • 00:55:30 – „Paybackgesichter vs. Aluhüte“ oder der Einsatz der Gesichtserkennung in der Wirtschaft und Wirksamkeit von Einwilligungen der Betroffenen.
  • 01:04:00 – Gesichtserkennung als Grundlage der Augmented Reality.

Weiterführende Links

Hinweis: Die Links stammen aus unserer Podcastvorbereitung. Wegen des Umfangs verzichten wir diesmal auf die Nennung einzelner Autoren oder Namen der Onlinemagazine und Webseiten.

Der Beitrag Paybackgesicht vs. Aluhut – Sollten Gesichtserkennungs-Technologien verboten werden? – Rechtsbelehrung Folge #73 erschien zuerst auf Rechtsbelehrung.