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Mein Umzug war genau auf den Tag vor drei Monaten. Seitdem komme ich jeden Tag an dem Namensschild vorbei, auf dem Liebe steht, eigentlich ja Frau Liebe, auf meinem Weg zum Bus und auf dem Heimweg. Darüber strahlt mich ein bunter Klingelknopf an, fast schon auffordernd. Darunter gibt noch ein weiteres Namensschild. Es ist eher unbedeutend und fällt gänzlich zum oberen ab. Es ist verwittert, fast schon unleserlich mit dem Namen Elsa Konrad. Obwohl ich meist in Hetze bin, etwas spät dran, um den Bus gemütlich zu erreichen, zieht der bunte Knopf jedes Mal meinen Blick auf sich. Er macht mich neugierig und dann eines Nachmittags bleibe ich stehen und klingle. Ein angenehmer Ton ist zu hören. Schnell überlege ich, welchen Grund ich vorschiebe, um mein Stören zu erklären. Doch das wird nicht nötig sein. Die Tür öffnet sich und eine alte Frau erscheint. Ihr Gesicht ist gefühlt von hundert, feinen Falten durchzogen. Sie ist klein und zierlich. Ein warmes Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus, als sie mich erblickt. „Ich habe mich schon gefragt, wann Sie kommen?“, begrüßt sie mich. „Bitte, treten Sie doch ein.“ Sie öffnet die Tür weit und ist so entwaffnend, dass es mir in diesem Moment unmöglich ist, abzulehnen, also folge ich ihr ins Innere. In der Küche steht eine Kanne mit dampfenden Tee. Zwei Tassen aus feinem Porzellan sind bereit gestellt. „Folgen Sie mir“, sagt sie und führt mich, während sie das Tablett aufnimmt, in die Wohnstube. In dem Moment fällt jede Anspannung von mir ab. Das Zimmer ist gemütlich, behaglich und einladend. Ein paar Bücherregale und eine kleine Sitzgruppe, die von liebevoller Hand ausgewählt wurde, füllen es aus. Die warmen Farben der Wände leuchten im Kerzenschein. Da es schon auf Weihnachten zu geht, ist es ja bekanntlich schon um fünf Uhr recht dunkel. Das Gesamtbild strahlt eine Ruhe und Wärme aus, wie ich sie schon lange nicht mehr gespürt habe. Frau Liebe weist einladend auf den alten Ohrensessel, der neben einer Lampe in der Ecke steht. „Nehmen Sie Platz und leisten Sie mir etwas Gesellschaft.“ Ich setze mich in den Sessel und wundere mich. Wieso…?, möchte ich beginnen, doch sie kommt mir zuvor. „Ich beobachte Sie jeden Morgen und jeden Abend, seit Sie hier eingezogen sind auf ihrem Weg zur Arbeit. Dabei bemerke ich in letzter Zeit immer wieder ihren Blick auf mein Klingelschild und dachte mir, mal schauen, wie lange Sie brauchen, um zu klingeln. Herzlich Willkommen.“ „Dankeschön.“ Sie stellt die Tasse mit Tee vor mich. „Selbst gemachter Kräutertee“, erläutert sie. Ein herrlich sanfter Duft, fein-fruchtig, weht in meine Nase. Entspannt lehne ich mich zurück. Ich fühle mich überhaupt nicht als Eindringling. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß, es sollen nur wenige gemeinsame Tage werden. Ich bleibe trotzdem nicht lange, da ich noch ein paar unaufschiebbare Aufgaben zu erledigen habe. „Kommen Sie doch morgen wieder - um dieselbe Zeit“, verabschiedet sich Frau Liebe aufmunternd von mir. Ich nicke. Was war in dem Tee, dass ich so vertrauensselig bin? Das Erlebnis ist so erquickend, Kraft spendend, ein richtiger Kick, das wiederhole ich sehr gerne. „Vielen, vielen Dank für den Tee. Er war ausgezeichnet. Köstlich. So einen habe ich schon lange nicht mehr getrunken.“ „Nicht dafür“, erwidert die alte Dame und begleitet mich zur Tür. Leicht beschwingt, gehe ich nach Hause. Von da an sollte sich mein Leben ändern. Doch das wußte ich in dem Moment noch nicht.
Frau Liebe - eine kleine Adventsgeschichte mit Herz
Bist Du nicht auch neugierig, wie es am 1.12. weitergeht, wenn sich die Tür wieder öffnet? Dann sende das Wort Liebe an mich zurück.
© 2022 Cordula Büchel