Feministisches Erinnern bleibt politisch – Geschichte & Rolle feministischer Archive


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Jul 21 2023 39 mins   5
„Es ist für mich auch ein Akt von politischem Aktivismus, mich in einem Archiv so sehr zu engagieren“, leitet Rebecca Gefken diese Podcastfolge ein. Als Historikerin und stellvertretende Geschäftsführung ist sie im feministischen Archiv belladonna in Bremen aktiv. Mit ihrer Haltung steht sie in langer, feministisch bewegter Tradition: Die Geschichte feministischer Bewegungen festzuhalten, passiert seit jeher zumeist aus der Bewegung heraus – und ist damit selbst Teil dieser.

Heute auf mehr als 200 Jahre Lesben- und Frauenbewegungsgeschichte blicken zu können, ist daher auch ein zentraler Erfolg der Arbeit vieler feministischer Erinnerungseinrichtungen und ihrer Akteur*innen. Aufbauend auf privaten Sammlungen von Plakaten, Protokollen und anderen Bewegungsmaterialien begannen sich im deutschsprachigen Raum in den frühen 1970er-Jahren erste feministische Archive und Bibliotheken zu gründen – und ab den 1980er-Jahren auch zu vernetzen.

Reibungslos blieb dies jedoch natürlich nicht – auch die Geschichte feministischer Erinnerungsarbeit wird neben der teils offen antifeministischen Gegenströmung auch von innerfeministischen Reibungen begleitet. Während früher teils große Gräben zwischen zum Beispiel autonomer und akademischer Arbeit bestanden, versuchen feministische Erinnerungseinrichtungen bis heute hier Brücken zu bauen. Vernetzungsarbeit gehört seit jeher dazu.

Neben zahlreichen Gründungsgeburtstage einzelner Einrichtungen – zum Beispiel feiert der Berliner Spinnboden in diesem Jahr sein bereits 50-jähriges Bestehen – fallen zwei daher zentrale Jubiläen der feministischen Erinnerungsarbeit in dieses und das nächste Jahr: 2023 feiern wir 40 Jahre Frauenarchivetagungen und 2024 dann bereits auch 30 Jahre Gründung von i.d.a., dem Dachverband der deutschsprachigen Lesben-/ Frauenarchive, -bibliotheken und -dokumentationsstellen aus Deuschland, Österreich, der Schweiz, Luxemburg und Italien. 40 Jahre Frauenarchivetagungen und 30 Jahre i.d.a.-Dachverband sind keine Selbstverständlichkeit – sondern feministische Errungenschaften.

Einzeln und im Verbund haben es sich alle Einrichtungen zur Aufgabe gemacht, zur feministischen Bewegungsgeschichte zu informieren, diese zu dokumentieren und archivieren. „Frauen sollten nicht nur sichtbar gemacht werden in der männlichen Geschichtsschreibung, sondern Geschichtsschreibung sollte anders stattfinden“, sagt Barbara Schnalzger, die in Leipzig die feministische Bibliothek MONAliesA mitgestaltet. Feministische Archive bringen damit auch die Geschichtsschreibung in Bewegung, sie weiten bestehende historische Narrative, ermöglichen feministische (Gegen-) Erzählungen und nicht zuletzt auch die oft noch ausstehende und nötige Forschung. Feministische Geschichte ist damit ein zentraler Teil der Demokratiegeschichte.

Wir fragen daher in dieser Podcastfolge: Wie wurden diese feministischen Netzwerke geknüpft? Was können wir – auch mit dem Blick auf erstarkende antifeministische und damit antidemokratische Strukturen – von und mit diesen feministischen Erinnerungseinrichtungen und Wissensspeichern lernen? Und was verdanken wir ihnen?