Placebos spielen insbesondere in der klinischen Forschung eine wichtige Rolle, denn die einfache Annahme ein wirksames Medikament verabreicht zu bekommen, kann bereits einen positiven Effekt bei Patient:innen erzeugen. Doch nicht nur das – erläutern Dr. Justus de Zeeuw und die Neurologin Prof. Dr. Ulrike Bingel: Selbst ohne Verabreichung einer Tablette, kann es zu Placeboeffekten kommen, beispielsweise durch eine positive Erwartungshaltung an spezielle Laufsocken oder das Wetter.
Für die Praxis stellt sich die Frage: Wie können behandelnde Ärzt:innen die Erwartungen von Patient:innen an eine Therapie positiv beeinflussen? Auf dieser Gratwanderung gilt es die positiven Effekte realistisch und den Patient:innen verständlich zu übermitteln, ohne jedoch unrealistische Versprechungen zu machen. Ganz zentral sieht Frau Prof. Bingel positive Vorerfahrungen in Bezug auf eine Therapie an. Auch Patientengruppen, in denen Erfahrungen geteilt werden, können zu einer positiven Erwartungshaltung beitragen. Für Frau Prof. Bingel steht fest: Ärzt:innen haben eine Bandbreite an Möglichkeiten, um die Erwartungen von Patient:innen an eine Therapie gut und hilfreich zu beeinflussen.
Die Forschung zeigt darüber hinaus einen weiteren unerwarteten Aspekt von Placebos: In verschiedenen Studien wurde untersucht, ob Placebos auch einen Effekt haben, wenn Patient:innen darüber aufgeklärt werden, dass es sich um ein Placebo handelt. Verblüffend zeigt sich: Dies scheint tatsächlich der Fall zu sein.
Mit Blick auf die Bedeutung von Placeboeffekten wird deren negativer Zwilling, der sogenannte Noceboeffekt ebenfalls thematisiert. Dieser kann zu negativen Effekten bei Therapien führen. Besonders, wenn Patient:innen verunsichert sind oder Angst vor einer Behandlung haben, kann diese negative Erwartungshaltung zu einem Noceboeffekt führen. Auch hier haben behandelnde Ärzt:innen die Möglichkeit Einfluss zu nehmen, um den Therapieerfolg und Therapieadhärenz zu verbessern.
Zuletzt wird im Gespräch eine neue Studie aus Wien aufgegriffen, die sich mit der Frage auseinandergesetzt hat, welche Menschen besonders anfällig für Verschwörungstheorien sind.
Hören Sie sich die Podcastfolge in ganzer Länge an und erlangen Sie viele weitere spannende Einblicke in die Welt der Placebos.
Prof. Dr. med. Ulrike Bingel leitet neben der Professur für Klinische Neurowissenschaften auch das Zentrum für universitäre Schmerzmedizin (Universitätsklinikum Essen) und ist Sprecherin der SFB/TRR 289 Treatment Expectation.
Behandelte Studie:
- 27:43 min: Effects of open-label placebos in clinical trials: a systematic review and meta-analysis (Von Wernsdorff et al. Scientific Reports, 2021;11(1),3855.) pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33594150/
- 38:54 min: The effect of treatment expectation on drug efficacy: imaging the analgesic benefit of the opioid remifentanil (Bingel U et al. Sci Transl Med. 2011 Feb 16;3(70):70ra14.) pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21325618/
- 42:49 min: Association of personality traits and socio-environmental factors with COVID-19 pandemic-related conspiratorial thinking in the D-A-CH region (Han E et al. SN Soc Sci. 2024;4:41.) link.springer.com/article/10.1007/s43545-023-00790-9