Mar 07 2025 4 mins
Neues Jahr, neues Glück - und neues Tauziehen-Format! Nico und Nina bereiten euch kleine Wortschatz-Häppchen vor. Nach unserem Start mit dem Begriff Demonstrationen, bringen wir jetzt noch etwas mehr Struktur rein. Es folgt A wie Ambiguitätstoleranz.
In wenigen Minuten erfahrt ihr mehr zu diesem komplexen Wort und was es mit unserer Demokratie und auch dem Sport zu tun hat.
Wenn ihr die Folge nachlesen wollt, findet ihr hier das Text-Manuskript. Weiter unten sind dann, wie immer, Links zu weiteren Informationen zusammengestellt.
Und, wie gefällt es euch?
Text-Manuskript:
A wie Ambiguitätstoleranz
Wow. Was für ein Wort, das spreche ich jetzt kurz nochmal ganz langsam aus Ambi-Gui-Täts-Tole-Ranz. So sperrig das klingt, so wichtig ist das, was hinter diesem Wort steht. Lasst uns den Begriff mal auseinandernehmen. Fangen wir hinten an „Toleranz“ das ist ein Wort, dass viele von uns kennen. Toleranz ist kurz gesagt die Eigenschaft von Menschen Umstände, Haltungen oder auch Meinungen auszuhalten oder zu dulden. Ambiguität bedeutet, dass Dinge uneindeutig oder vage sein könne.
Ambiguitätstoleranz ist also die Fähigkeit von Menschen mit Unklarheiten, Mehrdeutigkeiten oder Widersprüchen umzugehen. Der Begriff kommt aus der Psychologie und die Fähigkeit wurde ca. 1949 von der Sozialpsychologin Else Frenkel-Brunswick in Studien nachgewiesen.
Warum der Begriff heute noch wichtig ist, erschließt sich, wenn man sich die Debattenkultur und die politischen Veränderungen in unserer Gesellschaft anschaut. Insbesondere populistische und extreme Bewegungen und Parteien versuchen mit einfachen Antworten auf komplexe Fragen zu punkten und den Diskurs zu bestimmen. Dabei treffen sie aktuell auf eine Gesellschaft, die durch viele Krisen und systemische Ungleichheiten verunsichert ist. Das ist derzeit sehr gefährlich.
Denn Menschen, können auf Ambiguität in Politik und Gesellschaft reagieren, indem sie niemandem mehr ihr Vertrauen schenken und dadurch ihr ganz eigenes Weltbild aufrechterhalten. Also glauben sie beispielsweise an Verschwörungserzählungen, die ihre eigene Meinung widerspiegeln. Oder sie delegitimieren Fakten, die dieser Meinung entgegenstehen.
Im Umgang mit Ambiguität geht es sozusagen darum das Risiko zu vermeiden, das Ergebnis einer Situation nicht schon im Voraus zu kennen. Vermeintliche Eindeutigkeiten helfen dann dabei die Lage einzuschätzen. Wenn man sich aber nur auf diese Stereotypen Einschätzungen verlässt, läuft man Gefahr diskriminierende oder ausgrenzende Denkweisen zu nutzen.
Dadurch beschränken sich Menschen, die wenig Ambiguitätstoleranz zeigen, selbst. Denn wir kennen es doch auch aus dem Sport, die Aufregung vor einem Wettkampf oder die Vorfreude vor einem Spiel ist so groß, weil man nicht genau weiß, wie es ausgeht. Der Underdog kann immer gewinnen. Je eindeutiger der Ausgang eines sportlichen Wettbewerbs ist, desto langweiliger wird er.
Genau diese Erfahrung kann man auf die Gesellschaft übertragen. Menschliche Interaktion ist immer von Mehrdeutigkeiten geprägt. So lädt das Nachdenken über Ambiguität zu einem Perspektivwechsel ein. Man kann seine vorgefertigten Bilder im Kopf hinterfragen. Ein Beispiel: im aktuellen politischen Diskurs über Migration wird diese ausschließlich problematisiert und die Gefühle von Konkurrenz oder Verunsicherung sehr populistische verstärkt. Wenn man aber aus verschieden Perspektiven auf den gesellschaftlichen Fakt schaut, dass es Migration gibt und sich offen zeigt für die vielen positiven Wirkungen (bspw. Kulturelle und persönliche Bereicherung von Gesellschaft; positive und notwendige Impulse für den Arbeitsmarkt, uvm.) von ihr. Dann eröffnen sich neue Sichtweisen, die zu einer differenzierten Auseinandersetzung beitragen.
Als Zusammenfassung ein Zitat aus einem Deutschlandfunk Beitrag, den wir euch in den Shownotes verlinken, Religionswissenschaftler Thomas Bauer sagt: „Demokratie lebt davon, dass man Ambiguität in Kauf nimmt“
Links:
IDA e.V. Glossar Eintrag zu Ambiguitätstoleranz