G 1/15 "Teilpriorität" - Entscheidung und Gründe


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Mar 18 2025 16 mins   1
Teilprioritäten - "Poisonous Divisional" (giftige Teilanmeldung) als älteres Recht

In dieser Folge sprechen Lukas Fleischer und Michael Stadler wieder über die Entscheidung G 1/15 der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts aus dem Jahr 2016.


In dieser zweiten und abschließenden Folge werden die Leitsätze und die Auflösung des Ausgangsfalles behandelt. Die Große Beschwerdekammer sah es als rechtmäßig an, den Anspruch in einen generischen ODER Anspruch zu teilen, wobei der aus der Prioritäts- bzw. der Teilanmeldung spezielle Teil, also der Kaltfließverbesserer (A) mit Ammonium-Salzen oder Amiden (B), als A UND B bezeichnet werden kann und die abstrahierte Offenbarung ohne diese Merkmale aus dem Streitpatent, also der Kaltfließverbesserer (A) ohne Ammonium-Salze oder Amide (B), als A UND nicht-B bezeichnet wurde.


Zusammenfassung:


Die Große Beschwerdekammer hat festgestellt, dass im Falle einer Ausdehnung der Patentansprüche von der prioritätsbegründenden Erstanmeldung zur Nachanmeldung die Nachanmeldung nicht durch ihre eigene Teilanmeldung neuheitsschädlich getroffen ist, selbst wenn diese sich auf die Priorität der Erstanmeldung bezieht. Unter Rückgriff auf die Entscheidung G 1/03 ist es möglich, bei Vorliegen eines älteren Rechts einen Disclaimer einzufügen, der in diesem Fall darauf gerichtet ist, aus dem in der Nachanmeldung erweiterten Bereich den Schutzbereich der Erstanmeldung auszunehmen. Dieser Bereich ist dann gegenüber der speziellen Offenbarung der Teilanmeldung, die auch den Zeitrang der Erstanmeldung genießt ausreichend abgegrenzt. Da der spezielle Teil des Patentanspruchs prioritätsgedeckt ist, ist dieser auch neu gegenüber der Teilanmeldung, sodass dem gesamte Anspruchsbereich Neuheit zukommt.


Leitsatz:


Das Recht auf Teilpriorität für einen Anspruch, der aufgrund eines oder mehrerer generischer Ausdrücke oder anderweitig alternative Gegenstände umfasst (generischer "ODER"-Anspruch), kann nach dem EPÜ nicht verweigert werden, sofern diese alternativen Gegenstände im Prioritätsdokument erstmals, direkt - oder zumindest implizit -, eindeutig und ausführbar offenbart sind. Andere materiellrechtliche Bedingungen oder Einschränkungen finden in diesem Zusammenhang keine Anwendung.


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