Jüdisches Leben in Deutschland blickt auf eine Geschichte von 1700 Jahren zurück. Und doch ist es bis in die Gegenwart hinein oft nicht sichtbar geworden. Schmerzhaft sichtbar wird es immer dann, wenn antisemitische Übergriffe zeigen, dass es den jahrhundertewährenden Hass gegenüber Juden nach wie vor gibt, dass Menschen jüdischen Glaubens bis heute vorsichtig sein müssen.
Um das jüdische Leben in Deutschland wahrnehmbarer zu machen, ist in diesem Jahr, in dem es viele Aktionen und Kreativität zu „1700 Jahre jüdisches Leben in Köln und in Deutschland“ gibt, ein ökumenisches Projekt der evangelischen und der katholischen Kirche Köln unter dem Namen „321.koeln“ angestoßen worden. So heißt es auf der Website der Initiative: Die beiden Kirchen möchten einen Beitrag dazu leisten, in Kirche, Schule und Gesellschaft jüdisches Leben wahrzunehmen, kennenzulernen und sich für eine gute Nachbarschaft von nicht jüdischen Menschen mit Menschen jüdischen Glaubens einzusetzen.
Statement für das gemeinsame Leben von Juden und Nichtjuden
Das digitale Dialogprojekt ist beheimatet im Kunstraum Synagoge Pulheim-Stommeln. Die Gespräche unter dem Oberbergriff „Pulheimer Dialoge“ sollen zu einer Spurensuche im Hinblick auf die Geschichte der Synagoge selbst, aber auch mit Blick auf das Leben der Menschen jüdischen Glaubens im Rheinland werden. So sagt Dr. Martin Bock, Leiter der Kölner Melanchthon-Akademie, Ziel dieser Dialoge sei es auch, ein „Statement für das gemeinsame Leben von Juden und Nichtjuden in unserem Land zu setzen – als Zeichen gegen den wachsenden Antisemitismus.“
Gespräche wird es geben mit Rabbiner Yechiel Brukner von der Synagogen-Gemeinde Köln, mit einer Kölner jüdischen Familie sowie mit Tamar Dreyfus, jüdische Pulheimer Bürgerin und Mit-Autorin des Kinderbuches „Sag niemals, das ist dein letzter Weg“. Außerdem gestalten Christiane Twiehaus, Leiterin der Abteilung Jüdische Geschichte und Kultur im Museum „MiQua. Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier“ und Rabbinerin Natalia Verzhbovska von der Jüdischen Liberalen Gemeinde in Köln die Pulheimer Dialoge mit.
Beeindruckende Installationen
Den Anfang macht Angelika Schallenberg, Leiterin der Kulturabteilung der Stadt Pulheim, die mit Dr. Martin Bock auf die Geschichte der Synagoge Stommeln zurückblickt und erläutert, was den Raum als Ort der Kunst so besonders macht. Seit 1991 setzen sich international bekannte Künstler mit dem Raum auseinander, lassen sich von der Stille und der Spiritualität der Synagoge ansprechen und schaffen beeindruckende Installationen zu ihren Gedanken.
Besondere Atmosphäre
Das Gebäude als Kunstraum geht zurück auf den damaligen Kulturdezernenten, Dr. Gerhard Dornseifer, der sich dafür einsetzte, die Synagoge durch die Künstler in der Gegenwart zu verankern. Denn eigentlich, so führt Angelika Schallenberg aus, sei das Haus geprägt gewesen durch Abwesenheit. Schon seit Mitte der 1920er Jahre gab es kein reguläres jüdisches Gemeindeleben mehr in Stommeln. Vielmehr wurde das Gebäude, das von der Synagogengemeinde Köln gekauft worden war, schließlich zum Eigentum eines Landwirtes, der es für seine Zwecke nutzte, den Davidstern hinter Putz verbarg und offenbar so die Synagoge vor der Vernichtung durch die Nationalsozialisten rettete. In den 1980er Jahren erfolgten eine grundlegende Restaurierung und eine Wiedereinweihungsfeier, die Jüdische Liberale Gemeinde beging hohe Feiertage in der Synagoge, bis sie in Köln ein eigenes Haus nutzen konnte.
Heute ist die Synagoge durch ihre zurückgesetzte Lage zwar immer noch ein Stück weit verborgen und nicht immer geht es in der Kunst darum, gegen das Vergessen zu arbeiten, doch die besondere Atmosphäre spricht die Kunstschaffenden an, so Angelika Schallenberg.