„Wo stehen wir?“ Ansprache von Prof. Dr. Christiane Woopen bei der Reformationsfeier 2021 in Köln


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Jan 17 2022 20 mins  
Ansprache von Prof. Dr. Christiane Woopen bei der Reformationsfeier 2021 in Köln

„Was trägt uns in Krisen?“, lautete die zentrale Frage bei der zentralen Reformationsfeier des Evangelischen Kirchenverbands Köln und Region in der Trinitatiskirche 2021. Und da stand natürlich der persönliche und gesellschaftliche Umgang mit der Corona-Pandemie im Mittelpunkt.


Stadtsuperintendent Bernhard Seiger begrüßte die zahlreichen Gäste im „evangelischen Dom.


„Wo stehen wir?“ Die Ansprache bei der Feier hielt Dr. Christiane Woopen, Professorin für Medizin und Medizinethik. Bis vor einem Monat war Christiane Woopen an der Universität zu Köln tätig und seit Oktober lehrt sie an der Universität Bonn. Sie war Vorsitzende des Deutschen Ethikrates. Und sie ist Vorsitzende des europäischen Ethikrates.


Frau Woopen hat in Bonn die erste Hertz-Professur inne. Das Thema: Interdisziplinäre Erforschung des Lebens. Dazu gehört der Dialog der Medizin mit Ökonomie, Kulturwissenschaften, Soziologie und Theologie. Sie hatte ihrer Ansprache den Titel „Was trägt uns in Krisen? Entdeckungen im Dialog“ gegeben. „Aussichtslosigkeit und Unsicherheit, enttäuschte Hoffnung, Traurigkeit – alles Kennzeichen für etwas, das wir Krise nennen. Das Gewohnte und Vertraute wird infrage gestellt, das Normale wird zum Außergewöhnlichen, der Boden, auf dem man steht, wackelt und bricht weg“, führte sie ein und nannte vier Krisen, die die heutige Zeit prägen: Corona-Pandemie, die europäische Flüchtlingskrise von 2015/16, die globale Finanzkrise von 2006/07 und nicht zuletzt die ebenfalls globale Klimakrise.


„Manche halten das Krisenhafte sogar für DAS konstitutive Charakteristikum der Spätmoderne, die durch den Verlust traditioneller Verankerungen gekennzeichnet sei.“ Nun gehe es darum, mit diesen Krisen umzugehen. „Kraft kann aus Gesprächen und aus den Geschichten anderer entstehen, aus dem Sprechen mit Gott, aus dem Sein in der Natur, aus Musik, aus der Nähe zum Haustier, zu Familie und zu Freunden, ja selbst aus dem Mit-sich-selbst-allein-Sein“, erklärte die Professorin.
Lebendige Beziehung.


Woopen nannte zwei, die ihr besonders wichtig erscheinen: Solidarität und Berührbarkeit. Für die Professorin ist Solidarität die entscheidende Grundlage, um eine weltweite Krise vom Ausmaß und der Komplexität von Corona bewältigen zu können. Zu Beginn sei es um Solidarität mit den Älteren gegangen, im Moment würden Ungeimpfte aufgerufen, sich impfen zu lassen. Auch das Krankenhauspersonal erfahre Solidarität.


„Solidarität ist eine barmherzige Gerechtigkeit, oder wenn man das wie ich finde sehr schöne, aber für manche altertümlich klingende Wort Barmherzigkeit vermeiden möchte, eine wohltätige Gerechtigkeit. Solidarität beruht auf einem Gefühl der Zusammengehörigkeit und fördert dies, und sie umfasst die Bereitschaft zur Hilfe für diejenigen, die sie benötigen, auch unter Inkaufnahme eigener Opfer“, fasste Woopen zusammen. Solidarität sei emotional, institutionell, kulturell und intellektuell ein Beziehungsgeschehen und ein Ausdruck von Resonanz. Das gelte für zwei Menschen wie für den Umgang etwa mit Impfstoffen innerhalb der Weltgemeinschaft.
Berührbarkeit


„Der zweite Wert, der für resonante Beziehungen im Sinne Hartmut Rosas eine geradezu unverzichtbare Voraussetzung ist, ist die Berührbarkeit“, fuhr die Medizin-Ethikerin fort und erläuterte: „Bin ich berührbar, so spricht das Wahrgenommene zu mir, dann kann und werde ich darauf eine Antwort geben, auch wenn die Antwort zunächst Ratlosigkeit sein kann, ich aber zumindest auf der Suche nach meiner Stimme bin.“


Berührbar und empfänglich zu sein, habe eine Voraussetzung. Man müsse für s