"Ein güldenes Kleinod Davids"
So hat Luther diesen Psalm überschrieben. Doch wir wissen gar nicht, was das Wort, das hier im hebräischen Urtext steht, bedeutet. Außerdem: Kleinod ist ein Wort aus dem 12. Jahrhundert. Es entstammt dem Mittelhochdeutschen. Heute verstehen wir unter einem Kleinod einfach eine Kostbarkeit. So weit so gut.
Doch was uns mit Psalm 16 als Kleinod angepriesen wird, werden nur wenige als Kostbarkeit empfinden. Dafür hängen wir auch als Christen viel zu sehr am Materiellen. Wie bei zahlreichen Bibelstellen gilt auch von Psalm 16: Um seinen Wert zu erkennen, müssen wir uns erst einmal intensiv mit ihm beschäftigen. Die Botschaft dieser elf Verse hat ihr Ziel erreicht, wenn wir schließlich dem Grafen Zinzendorf Recht geben mit seinem Gebet:
„Herr, dein Wort, die edle Gabe, dieses Gold erhalt mir;
denn ich zieh es aller Habe und dem größten Reichtum für.“
Für solche, die ohne Gott nicht leben können, ist dieser Psalm tatsächlich etwa Kostbares. Er ist ein Gebet rückhaltlosen Vertrauens. Wie gut sind wir dran, wenn wir wissen, wo wir Hilfe finden in der Not. Davids Bindung an den Gott Israels ist so eng, dass er sich ohne Umschweife an ihn wendet: "Bewahre mich, Gott; denn ich traue auf dich". David weiß, wenn einer helfen kann, dann Gott.
Aber ist das der David, den wir kennen? Derselbe, der mit einem gezielten Wurf aus seiner Steinschleuder die Geheimwaffe der Philister, den Riesen Goliath, zur Strecke bringt? Jawohl, es ist derselbe! Und das macht ihn mir sympathisch. So sind wir. Einmal so, als könne uns niemand und nichts erschüttern. Dann wieder voller Ängste...
Es liegt nahe, dass David sich zu denen hingezogen fühlt, die mit ihm auf demselben Weg sind.
Die Liedstrophe von Gerhard Tersteegen könnte auch von unserem Psalmbeter stammen:
O wie lieb ich, Herr, die Deinen, die dich suchen, die dich meinen!
O wie köstlich sind sie mir. Du weißt, wie mich's oft erquicket,
wenn ich Seelen hab erblicket, die sich ganz ergeben dir."
Mit denen aber, die von Gott nichts wissen wollen, will David nichts zu tun haben; sie könnten ihm zum Fallstrick werden. Wer wie David nun aber kein anderes Gut als den lebendigen Gott kennt, der fühlt sich nicht nur zu Gleichgesinnten hingezogen, sondern erst recht zu Gott selber. David ist es ein Bedürfnis, Gott zu loben. Denn er ist dankbar für seinen Rat. Er lässt sich von Gott korrigieren auch in der Stille der Nacht. So schreibt er in Vers 7:
"Ich lobe JHWH, der mich beraten hat. auch mahnt mich mein Herz des Nachts."
Allezeit hat David ihn, den Unsichtbaren, vor Augen. Diese fortwährende Ausrichtung gibt David Halt: „Ich habe den HERRN allezeit vor Augen: steht ER mir zur Rechten, so werde ich fest bleiben.“ <V. 8>
Davids Augen-Blick auf den Unsichtbaren ist also nicht ein Blick voller Bange, sondern voller Vertrauen. Das ist nicht selbstverständlich; denn es sind nicht wenige "Blick-Fänge",
die mich ablenken können. Ich kann mich gefangen nehmen lassen von Neid und Missgunst, von mancherlei Sorgen. Mir geht einfach nicht aus dem Kopf, wie meine beste Freundin mein Vertrauen missbraucht hat. Die berufliche Zukunft unserer Kinder raubt mir den Schlaf. Die politische Großwetterlage bereitet mir Kopfzerbrechen. Doch all das, was meine Aufmerksamkeit gefangen nehmen will, verunsichert mich nur, nährt Zweifel, lähmt meine Kraft. Wenn ich mich jedoch vertrauensvoll meinem Herrn zuwende, dann zeigt er mir nicht die kalte Schulter.
Die Ausrichtung auf IHN, den Fels der Ewigkeiten, macht mich standhaft. Diese Standfestigkeit ist die Voraussetzung dafür, dass ich mich in den Stürmen des Lebens bewähre. Versuchungen vielfältiger Art und so mancher Kummer können zum Blick-Fang werden, der meinen Augen-Blick gefangen nimmt und nicht so leicht wieder frei gibt. Im vorletzten Vers nun triumphiert die Gewissheit: „Du wirst mich nicht dem Tode überlassen und nicht zugeben, dass ich, dein Heiliger, die Grube sehe.“
Dazu passt Davids beglückte Feststellung. „Das Los ist mir gefallen auf liebliches Land. Mir ist ein schönes Erbteil geworden.“
Mag dieses Erbteil auch sehr irdisch gemeint sein: Für alle, die den auferstandenen Jesus kennen, ist das ewige Erbe im Reich Gottes gemeint, die Wohnung, die Jesus uns im Haus seines Vaters bereit hält (Johannes 14,2).
Die Krönung aber ist der Abschluss: „Du tust mir kund den Weg zum Leben." Hier ist nicht nur das biologische Leben gemeint; das ist kurz, selbst wenn es hundert Jahre währt. Verglichen mit der Ewigkeit, die der lebendige Gott für uns bereit hält, fallen ein paar Jahre mehr oder weniger nicht ins Gewicht. Erst recht dann, wenn David fortfährt: „Vor dir ist Freude die Fülle und Wonne zu deiner Rechten ewiglich.“ Das lässt sich von unseren Erdentagen nur mit Einschränkung behaupten: Wir leben in einer gefallenen Welt, die noch nicht erlöst ist. Die Lebensspanne Zeit auf Erden ist immer ein Gemenge von Freud und Leid. Der Weg zum Leben, den Gott uns zeigt, ist sein Sohn Jesus Christus.
Auch wenn uns in der Gemeinschaft mit ihm Kummer und Not nicht erspart bleiben, so ist doch die Nachfolge ein Leben in neuer Qualität. Gebunden an Jesus, den Guten Hirten, kommen wir auch ans ewige Ziel - garantiert. Es bleibt dabei: Der dreifaltige Gott verdient auch unser uneingeschränktes Vertrauen. Wir können David nur zustimmen:
„Ich weiß von keinem Gut außer dir.“
Autor: Pastor Hans Jakob Reimers
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