Linkhaftung – Rechtsbelehrung Folge 32 (Jura-Podcast)


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Jan 28 2016 103 mins   414 1 0

rechtsbelehrung_folge_32Als Tim Berners Lee (der als Erfinder des World Wide Web gilt) sein Verständnis von Links niederschrieb, dachte er bestimmt nicht daran, was die Juristen aus diesem simplen technischen Verfahren machen würden. 1997 klang es bei Berners Lee noch so einfach:

The intention in the design of the web was that normal links should simply be references, with no implied meaning.

Knapp 20 Jahre später haben wir uns von dieser simplen Regel, dass Links bloße Verweise ohne implizierte Bedeutung sind, weit entfernt. Allerdings muss man bedenken, dass Tim Berners Lee diese Aussage auf den Link selbst bezog. Die rechtlichen Probleme erwachsen dagegen vor allem aus dem Kontext eines Links. Leider hat der Bundesgerichtshof diesen Umstand nicht verinnerlicht und in seiner neuesten Link-Entscheidung diese folgenschwere Aussage getroffen (BGH, 18.06.2015, Az. I ZR 74/14):

Der Hyperlink erhöht die Gefahr der Verbreitung etwaiger rechtswidriger Inhalte, […]

Auf dieser Grundlage stellte der BGH weiter die folgenden Prinzipien für die Linkhaftung auf:

  1. Wer sich einen Link zu eigen macht, haftet automatisch für die verlinkten Inhalte, als ob es die eigenen wären.
  2. Wer überhaupt einen Link setzt, haftet ab Mitteilung der (potentiellen) Rechtswidrigkeit verlinkter Inhalte oder wenn er die Rechtswidrigkeit hätte selbst erkennen müssen.

Das ist eine sehr vereinfachte Darstellung und vor allem der zweite Punkt hat es in sich. Er bedeutet, wenn jemand auf die potentielle Rechtswidrigkeit der verlinkten Inhalte hingewiesen wird, die Haftung übernimmt, wenn er den Link nicht entfernt. Die befürchtete Folge ist, dass in der Summe die Meinungsfreiheit leiden wird, weil nicht jeder für einen Link das Risiko einer Klage auf sich nehmen möchte (sog. „Chilling Effects„).

Eine weitere Sorge ist, dass nur Fachjuristen die Kriterien der Linkhaftung werden überblicken können. Wir geben uns trotzdem die größte Mühe die Entscheidung des Bundesgerichtshofs juristisch zu sezieren und herauszufinden, was das oberste Zivilgericht wohl gemeint haben könnte.

Dabei berücksichtigen wir nicht nur klassische Hyperlinks, sondern gehen auch auf eingebettete Inhalte (Embedding/Framing, z.B. von YouTube-Videos in Webseiten) und geteilte Inhalte (Sharing, z.B. von Beiträgen bei Facebook) ein.

 

Dr. Ansgar KorengUnterstützt werden wir von Dr. Ansgar Koreng (Twitter, Formularbuch), der als Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht bei der Kanzlei JBB Rechtsanwälte tätig ist und sich bereits im Rahmen seiner Promotion mit der Zensur im Internet auseinandergesetzt hat. Wir bedanken uns herzlichst für seine Hilfe bei der Entwirrung der Rechtslage.

P.S. Noch bis ca. Mitte Februar läuft unsere Hörerumfrage, die wir in der nächsten Podcastfolge auswerten werden. Wir freuen uns sehr über Ihre Teilnahme!

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  • Themenvorschläge, Anregungen, Kritiken, aber auch Komplimente sind in den Beiträgen zu den Folgen oder per Twitter sehr willkommen: @RBL_rfm (Podcast-Account), @monoxyd (Marcus Richter), @thsch (Thomas Schwenke).

Inhalte des Podcasts:

  • 00:01:55 – Vorstellung unseres Gastes und des Podcastthemas
  • 00:09:30 – Technische und juristische Definition von Links
  • 15:30:00 – Der BGH meint: Links sind gefährlich.
  • 00:21:00 – Wann macht man sich verlinkte Inhalte zu eigen?
  • 00:39:00 – Unterschiede zwischen Zueigenmachung und Störerhaftung
  • 00:43:00 – Wirksamkeit von Linkdisclaimern
  • 00:53:00 – Warum auch scheinbar klare BGH-Entscheidungen Verwirrung stiften können
  • 01:09:00 – Zur Haftung ab Mitteilung der (potentiellen) Rechtswidrigkeit
  • 01:14:00 – Und wie soll man sich nun als Nutzer verhalten?
  • 01:17:00 – Overblocking und Chilling Effects
  • 01:23:00 – Unterschiede beim Embedding
  • 01:37:00 – Wirkung von Likes
  • 01:39:00 – Wir resümieren: Es geht nicht um Technik, es geht nicht um das Recht, es ist vielmehr eine Frage der persönlichen Einstellung

Erwähnte Gesetze und Fälle

  • Regelung zur Linkhaftung im österreichischen § 17 E-Commerce-Gesetz
  • Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr 2000/31/EG (E-Commerce-Richtlinie)
  • Verantwortlichkeit für Inhalte nach § 7 ff. Telemediengesetz (sog. Haftungsprivileg)
  • Das in dieser Folge besprochene Urteil zur Haftung für Hyperlinks (BGH, 18.06.2015, Az. I ZR 74/14)
  • Keine strafrechtliche Verantwortung für inhaltliche Änderungen auf verlinkten Webseiten (AG Berlin-Tiergarten, 30.06.1997 – 260 Ds 857/96 „Angela Marquardt“)
  • Keine strafrechtliche Verantwortung für verlinkte Inhalte, wenn die Links im Kontext einer aufklärenden Berichterstattung gesetzt werden (OLG Stuttgart, 24.04.2006, Az. 1 Ss 449/05)
  • „Paperboy“-Entscheidung zur Zulässigkeit von Deeplinks (BGH, 17.07.2003, Az. I ZR 259/00)
  • BVerfG zum Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit bei Verlinkung rechtswidriger Inhalte (BVerfG, 15.12.2011, Az. 1 BvR 1248/11 „AnyDVD“)
  • BGH zur Zueigenmachung, wenn die Verlinkung das Geschäftsmodell darstellt (BGH, 18.10.2007, Az. I ZR 102/05 „über18.de“)
  • Zueigenmachung eines Links in einem Newsletter (BGH, 19.05.2011, Az. I ZR 147/09 „Coaching-Newsletter“)
  • EuGH zur Löschungspflicht von Google (EuGH, 13.05.2014, Az. C-131/12,s. auch EuGH: Google muss vergessen – Rechtsbelehrung Folge 14 (Jura-Podcast) hier im Blog)
  • Embedding ist zulässig (EuGH, 21.10.2014, Az. C-348/13 s. dazu auch EuGH zu YouTube-Videos: Embedding stellt (grundsätzlich) keinen Rechtsverstoß dar hier im Blog)
  • Ist der Like eine Fürsprache? (LG Hamburg, 10.01.2013, Az. 327 O 438/11, s. dazu Wegweisende Gerichtsentscheidung: Facebook-Like endlich entschärft? hier im Blog).
  • Linkhaftung gilt auch für Twitter-Postings (LG Frankfurt/Main, 20.04.2010, Az. 3-08 O 46/10)
  • Fristlose Kündigung wegen Zueigenmachens einer Beleidigung über den Facebook „Gefällt mir“ Button (Arbeitsgericht Dessau-Roßlau, 21.03.2012, Az. 1 Ca 148/11)
  • Kein Zueigenmachen durch bloßes Teilen eines Facebookbeitrags (OLG Frankfurt, Urteil vom 26.11.2015 – 16 U 64/15 s. dazu).
  • Haftung für ein eingebundenes Youtube-Video (LG Hamburg, 18.05.2012, Az. 324 O 596/11)

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