Episode 29: Wenn alle nach deinen Wurzeln fragen, aber du selbst sie nicht kennst // mit Ellen Wagner


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Nov 05 2024 90 mins  

„Ich hatte nie ein Zuhause, nirgendwo auf dieser Erde,“ sagt Ellen Wagner, meine heutige Gästin.

Ellen ist Diversity-Beraterin, Autorin und Aktivistin. Sie wurde in Deutschland geboren, ist dort aufgewachsen, hat in vielen Ländern gelebt und gearbeitet und lebt derzeit mit ihrer Familie in den USA. Im Gespräch teilt sie, wie es ist, als von weißen Eltern adoptiertes schwarzes Kind aufzuwachsen und was es bedeutet, immer wieder gefragt zu werden, woher man „wirklich“ kommt. Die Erfahrung, als „Andersartige“ betrachtet zu werden, begann schon im Kindergarten. „Das erste Mal, als man mich fragte, woher ich wirklich komme, war ich fünf,“ erzählt Ellen. Schon da begann die Suche nach Zugehörigkeit, die immer wieder von anderen in Frage gestellt wurde – selbst in ihrer eigenen Familie, wo sie als einziges schwarzes Mitglied oft die irritierten Blicke anderer ertragen musste.

Ellen beschreibt, wie tief sich das Gefühl des „Nicht-Dazugehörens“ in ihre Identität eingeschrieben hat. Sogar als sie beruflich als Reiseleiterin für deutsche Gäste arbeitete und stolz ihren Heimatort und Anekdoten erzählte, erhielt sie oft die Frage, ob sie überhaupt Deutsch spreche – trotz der Deutschlandflagge auf ihrem Namensschild. Diese wiederholten Momente des „Andersmachens“, das ständige „Woher kommst du wirklich?“ sind für sie wie „tausend Pflaster auf Wunden, die immer wieder entfernt werden und dadurch nicht heilen“.

Heute klärt Ellen in Workshops darüber auf, welche emotionalen Narben solche scheinbar harmlosen Fragen hinterlassen. Sie bringt Menschen bei, dass es nicht auf die Absicht ankommt, sondern auf die Wirkung. Für sie ist das Ziel, dass eine neue Generation von Kindern aufwachsen kann, ohne ständig nach einer Herkunftsrechtfertigung gefragt zu werden. Doch Ellen ist skeptisch, ob rassifizierte Menschen diese Freiheit je erfahren können. Besonders in den USA, wo Ellen jetzt lebt, ist es für ihre Tochter überlebenswichtig, bei Polizeikontrollen besonders vorsichtig zu sein – ein Überlebenswissen, das weiße Kinder nicht brauchen.

In dieser Episode sprechen wir u.a. darüber, wie tief die Frage nach Identität und Zugehörigkeit geht und wie fest Stereotype verankert sind. Wir reflektieren über die Erfahrung, sich in Deutschland oder den USA fremd zu fühlen, über Rassismus, institutionelle Ungleichheit und intersektionale Diskriminierung, die viele Betroffene prägt. Ellen und ich beleuchten, wie sich Zuschreibungen und Vorurteile auf das Selbstbild und die Entwicklung unserer Kinder auswirken und welche Maßnahmen wir uns wünschen, damit auch marginalisierte Menschen sich wirklich als Teil der Gesellschaft fühlen können.

Mehr über die Gästin:

Ellen Wagner ist Moderatorin, Speaker, Workshop Facilitator und Autorin. Ihr Schwerpunkt ist die Schaffung inklusiver Unternehmenskulturen. Dies gelingt ihr anhand strategischer Beratung sowie mit Talks & Trainings rund um die Themen Diversity, Equity, Inclusion & Belonging. Als queere, Schwarze und neurodivergente Frau ist ihre Herangehensweise immer mit intersektionalem Blick und mit einem besonderen Fokus auf LGBTQIA-Feindlichkeit, anti-Schwarzen Rassismus und Neurodivergenz.

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Podcast LinkedIn Profil:
https://www.linkedin.com/company/woher-kommst-du-wirklich/

Musik & Postproduktion:
Joscha Grunewald