(64) Friedrich Nietzsche »Die Hoffnung« aus »Menschliches, Allzumenschliches I«


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Jan 01 2022 4 mins   57
Die Hoffnung. — Pandora brachte das Fass mit den Übeln und öffnete es.

Es war das Geschenk der Götter an die Menschen, von Außen ein schönes verführerisches Geschenk und "Glücksfass" zubenannt.

Da flogen all die Übel, lebendige beschwingte Wesen heraus: von da an schweifen sie nun herum und tun den Menschen Schaden bei Tag und Nacht.



Ein einziges Übel war noch nicht aus dem Fass herausgeschlüpft: da schlug Pandora nach Zeus' Willen den Deckel zu und so blieb es darin.

Für immer hat der Mensch nun das Glücksfass im Hause und meint Wunder was für einen Schatz er in ihm habe; es steht ihm zu Diensten, er greift darnach: wenn es ihn gelüstet; denn er weiß nicht, dass jenes Fass, welches Pandora brachte, das Fass der Übel war, und hält das zurückgebliebene Übel für das größte Glücksgut, — es ist die Hoffnung.

— Zeus wollte nämlich, dass der Mensch, auch noch so sehr durch die anderen Übel gequält, doch das Leben nicht wegwerfe, sondern fortfahre, sich immer von Neuem quälen zu lassen. Dazu gibt er dem Menschen die Hoffnung: sie ist in Wahrheit das übelste der Übel, weil sie die Qual der Menschen verlängert.