MP078 - Unternehmerische Vielfalt: Ein Blick auf die Idealtypen mit Hannah Heller (1/2)


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Apr 12 2024 33 mins   3

In dieser Folge begrüßen wir Hannah Heller, eine Expertin für Unternehmertum, die in ihrer Forschung die verschiedenen Facetten des Wirtschaftens beleuchtet. In ihrer Dissertation hat sie drei Idealtypen von Unternehmer:innen herausgearbeitet: den Markttyp, den Traditionstyp und den Transformationstyp. Wir tauchen tief in die Narrative dieser Idealtypen ein und diskutieren, was diese besonders macht und wie sie sich auf gemeinschaftsbasiertes Wirtschaften auswirken. Tune ein und entdecke die vielschichtigen Aspekte der Wirtschaftswelt mit uns!



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MP035 – Bundestagswahl und gemeinschaftsbasiertes Wirtschaften mit Hannah Heller



Für diese Episode des MYZELIUM Podcast liegt machninell erstelltes Transkript vor. Es wurde nicht nachträglich gegengelesen oder korrigiert. Im Zweifel gilt immer das gesprochene Wort.



Transkription



Tobias


0:00:18–0:00:22
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge des MeZerium-Podcasts,

0:00:22–0:00:26
der Podcast, in dem ihr alles über das gemeinschaftsbasierte Wirtschaftsdachfahrt.

0:00:26–0:00:29
Ja, heute wieder bei mir der wunderbare Timo. Hi Timo.




Timo


0:00:29–0:00:30
Hallo.




Tobias


0:00:30–0:00:33
Ja, und ich freue mich ganz besonders, denn wir haben heute nochmal ein bisschen

0:00:33–0:00:38
Unterstützung mitgebracht. Und zwar begrüße ich ganz herzlich die Hanna Heller. Hi Hanna.




Hannah Heller


0:00:39–0:00:39
Hi Tobi.




Tobias


0:00:39–0:00:43
Hanna, du warst ja schon mal im Podcast zu Gast.

0:00:43–0:00:47
Ich glaube, also das ist schon ein bisschen her zur Bundestagswahl, war das?




Hannah Heller


0:00:48–0:00:48
Ja.




Tobias


0:00:48–0:00:51
In welchem Jahr sind wir jetzt? Jahr drei oder so, ne?




Hannah Heller


0:00:51–0:00:53
Ja, so vor drei Jahren, genau.




Tobias


0:00:54–0:01:00
Ja, hat sich ein bisschen was getan. Du bist jetzt ein bisschen mehr im Mycelium verwurzelt.

0:01:00–0:01:03
Was ist denn deine Rolle jetzt im Mycelium? Willst du dich mal kurz nochmal

0:01:03–0:01:08
vorstellen für die Menschen, die dich so in den letzten drei Jahren nicht mitbekommen

0:01:08–0:01:10
haben oder nicht so ganz wissen, was du gerade so machst?




Hannah Heller


0:01:11–0:01:18
Ja, voll gerne. Ich bin jetzt eigentlich die Finanzfrau, Beitragskoordinatorin, Chief of Money. nie.

0:01:18–0:01:21
Wir haben noch keinen richtigen Titel für mich gefunden, aber wir sind auf der Suche.

0:01:22–0:01:25
Ich kümmere mich auf jeden Fall darum, dass Gehälter bezahlt werden können,

0:01:26–0:01:31
dass wir genug Geld auf dem Konto haben und wir genug Menschen im Rücken haben,

0:01:31–0:01:34
die uns unterstützen finanziell und genau, diese,

0:01:36–0:01:40
gemeinschaftsbasierte Transformation, die wir mit den Unternehmen anstoßen wollen,

0:01:40–0:01:45
auch immer in Ruhe und einigermaßen gut finanziert passieren kann.




Tobias


0:01:45–0:01:47
Ja, wichtiger Posten, würde ich sagen.




Hannah Heller


0:01:48–0:01:53
Ja, ich fühle mich wohl. Es macht Spaß. Und es ist tatsächlich auch die praktische

0:01:53–0:01:58
Umsetzung von dem, was ich jetzt irgendwie mir jahrelang Gedanken dazu gemacht

0:01:58–0:02:01
habe in meiner Doktorarbeit, zu der wir ja gleich noch kommen werden.




Tobias


0:02:01–0:02:05
Ja, jetzt hast du schon gespoilert. Wir haben mit dem Timo überlegt,

0:02:05–0:02:11
wir haben jetzt viel in den Podcasts und auch so in der Geschichte des Museums

0:02:11–0:02:18
Podcasts natürlich immer viel Theorie gehabt, viel Wissenschaft auch und viel

0:02:18–0:02:20
über Projekte gesprochen.

0:02:21–0:02:24
Und jetzt kamst du mit deiner Doktorarbeit um die Ecke und da ging es jetzt

0:02:24–0:02:27
um die Menschen dahinter.

0:02:27–0:02:32
Also was sind das für Menschen, mit denen wir mit CELIUM zu tun haben?

0:02:32–0:02:36
Und da haben wir gedacht, machen wir doch einfach nochmal eine Podcast-Folge

0:02:36–0:02:39
zu und erklären das einfach, weil das im Podcast am besten geht.

0:02:39–0:02:44
Ja Timo, mit was für Menschen hast du denn so zu tun? Oder hast du schon mal

0:02:44–0:02:47
so eine grobe Richtung, in die es heute gehen wird?




Timo


0:02:48–0:02:54
Ja, ich glaube, wenn man unseren Podcast so betrachtet, dann haben wir ja eine

0:02:54–0:02:57
ganze Reihe gemacht, wo wir im Grunde herausfinden

0:02:57–0:02:59
wollten, was eigentlich gemeinschaftsbasiertes Wirtschaften ist.

0:02:59–0:03:04
Und wir haben das im Wesentlichen in Abgrenzung zu anderen Ansätzen alternativen

0:03:04–0:03:08
Wirtschaftens gemacht, zum Beispiel Genossenschaftswesen, Postwachstum,

0:03:08–0:03:14
klar auch solidarische Landwirtschaft, Commons, you name it.

0:03:15–0:03:19
Donut-Ökonomie hatten wir. Also ich glaube, wir haben so gut wie jeden wesentlichen Ansatz.

0:03:19–0:03:26
Und was das Spannende an diesen Großansätzen ist, dass sie so ein bisschen systemisch unterwegs sind.

0:03:26–0:03:34
Also sie haben weniger die Menschen vor Augen, die diese Transformation dann auch machen.

0:03:35–0:03:39
Oder also wer sind dann eigentlich konkret die Menschen, die diese Transformation

0:03:39–0:03:43
dann auch wirklich durchführen im Sinne dieser Ansätze?

0:03:44–0:03:49
Und genau, da verspreche ich mir von der heutigen Folge gerade mal so die Möglichkeit,

0:03:49–0:03:54
dass wir so eine Brille bekommen und so ein bisschen die Möglichkeit haben,

0:03:54–0:03:59
Begriffe zu haben, mit denen wir diese Menschen die Transformation machen,

0:03:59–0:04:02
eben auch beschreiben können und vielleicht auch ein bisschen einsortieren.




Tobias


0:04:03–0:04:07
Ja, sortieren, das hast du gemacht. Hanna, muss ich eigentlich dich mit dem

0:04:07–0:04:08
Titel anwenden oder geht das so?




Hannah Heller


0:04:09–0:04:12
Noch nicht, ich muss es noch veröffentlichen.




Tobias


0:04:13–0:04:21
Okay, also kriegt ihr ja hier das aktuelle oder kriegt ihr ja hier unveröffentlichte Sneak-Review quasi.

0:04:22–0:04:27
Richtig. Ja, sehr schön. Möchtest du mal kurz anreißen, ich weiß,

0:04:27–0:04:29
so eine Doktorarbeit ist super, super umfangreich,

0:04:29–0:04:35
aber mal kurz anreißen, was du da gemacht hast und was da den Menschen im Vordergrund

0:04:35–0:04:37
hat, was deine Fragestellung war.




Hannah Heller


0:04:38–0:04:43
Ja, also tatsächlich hat mich beschäftigt, dass ich den Eindruck hatte,

0:04:43–0:04:48
dass sozusagen diese Marktwirtschaft und Leute, die irgendwie in der Marktwirtschaft

0:04:48–0:04:51
erfolgreich sein sollen, die haben irgendwie ein klares Bild vor Augen, was sie wollen.

0:04:51–0:04:55
Wohlstand, Wachstum, technologischer Fortschritt, irgendwie sind da die Narrative,

0:04:55–0:04:59
die Erzählungen, mit denen ich mich befasst habe in meiner Doktorarbeit, irgendwie recht klar.

0:04:59–0:05:02
Und dann gibt es auch dieses andere Narrativ in der Wirtschaft,

0:05:02–0:05:05
das heißt der Staat, Planwirtschaft,

0:05:05–0:05:11
Sozialismus, alles Böse, Bürokratie und dann gibt es aus meiner Perspektive

0:05:11–0:05:14
aber eben ganz viele Menschen, wie wir auch, würde ich sagen,

0:05:14–0:05:19
die eigentlich nicht profitorientiert, aber dezentral, heißt nicht durch einen

0:05:19–0:05:27
Staat gesteuert, sondern recht selbstständig uns für eine andere Form des Wirtschaftens einsetzen.

0:05:27–0:05:30
Und diese andere Form des Wirtschaftens, die wird dann, wie Timo gerade gesagt

0:05:30–0:05:36
hat, irgendwie als Postwachstum, als Postkapitalismus, als Donut Economics,

0:05:37–0:05:39
als was auch immer beschrieben, aber sozusagen es ist nicht klar,

0:05:40–0:05:44
was denn unsere Ziele sind, was unsere Werte sind, die uns motivieren und antreiben.

0:05:45–0:05:49
Und hinter denen wir uns auch vereinen können, also wo wir irgendwie eine gemeinsame

0:05:49–0:05:50
Sprache haben und so weiter.

0:05:51–0:05:54
Ich spreche jetzt die ganze Zeit schon von wir, als Wissenschaftlerin muss man

0:05:54–0:05:58
da ein bisschen aufpassen, aber ich werde heute einfach meine Interpretation

0:05:58–0:06:04
der Ergebnisse hier präsentieren und nicht, was ich sozusagen als Wissenschaftlerin sagen darf.

0:06:05–0:06:12
Genau, und wir als Transformationstypen haben eben nicht dieses vereinende Narrativ,

0:06:12–0:06:21
noch nicht sprachlich gefasst und danach habe ich gesucht in meiner Dissertation und ja,

0:06:21–0:06:26
auf dem Weg dieser Suche bin ich eben dann über diese Idealtypen sozusagen mehr

0:06:26–0:06:27
oder weniger gestolpert,

0:06:27–0:06:31
die haben sich empirisch gegeben aus den Interviews, die ich geführt habe mit

0:06:31–0:06:36
Menschen, die eben entweder konventionell wirtschaften, also marktbasiert,

0:06:36–0:06:39
die Markttypen sind oder dann,

0:06:40–0:06:45
eben, ja, ich habe es eben, traditionell wirtschaften, also den Traditionstyp,

0:06:45–0:06:48
so habe ich ihn genannt, der eben nicht gleichzusetzen ist mit diesem,

0:06:50–0:06:52
Staatsnarrativ, was ich vorher hatte, planwirtschaftlich und so,

0:06:52–0:06:55
sondern der irgendwie nach anderen Werten wirtschaftet und dann eben diesem

0:06:55–0:07:01
Transformationstyp, den ich dann sozusagen tiefergehend untersucht habe in der DISS, genau.

0:07:01–0:07:06
Aber das war sozusagen einer dieser Zwischenschritte, diese drei Idealtypen zu fassen.




Tobias


0:07:07–0:07:11
Ja, möchtest du uns kurz diese drei Typen mal vorstellen, vielleicht nacheinander?




Hannah Heller


0:07:11–0:07:13
Mit welchem willst du anfangen?




Tobias


0:07:13–0:07:14
Ja, Markttyp, oder?




Hannah Heller


0:07:15–0:07:18
Markttyp würde ich sagen, und ich habe es jetzt nicht quantitativ erforscht,

0:07:18–0:07:21
das würde noch ausstehen, aber der Markttyp ist, glaube ich,

0:07:21–0:07:26
der, der am häufigsten vertreten ist und dem man so am meisten begegnet, würde ich sagen.

0:07:26–0:07:30
Das ist der Mensch, der sich irgendwie an die bestehenden Strukturen anpasst.

0:07:31–0:07:38
Der sich orientiert an sozusagen auch den Marktkennzahlen, also welches Gehalt bekomme ich?

0:07:38–0:07:43
Ah, da google ich jetzt mal irgendwie, was das normale Gehalt in meiner Branche

0:07:43–0:07:44
mit meiner Qualifikation ist.

0:07:46–0:07:51
Oder wann fliege ich in Urlaub? Mache ich davon abhängig, wann der Flug am günstigsten ist?

0:07:51–0:07:54
Also diese Marktkennzahlen, man orientiert sich sehr stark an Preisen.

0:07:54–0:07:58
Man trifft seine Entscheidungen abhängig von diesen Preisen.

0:07:58–0:08:02
Sprich, man lässt so ein bisschen auch sein Leben regeln vom Markt.

0:08:03–0:08:08
Ja, und warum macht man das? Also was sind die Ziele, die dieser Markttyp verfolgt?

0:08:08–0:08:10
Vielleicht könnt ihr es euch auch schon denken.

0:08:10–0:08:13
Es ist irgendwie finanzieller Erfolg, würde ich gar nicht mal sagen,

0:08:13–0:08:14
sondern vor allem finanzielle Sicherheit.

0:08:14–0:08:20
Also die Sicherheit zu haben, einfach in Ruhe, in seiner gut eingerichteten,

0:08:20–0:08:25
schönen Wohnung leben zu können oder in seinem Haus leben zu können und irgendwie

0:08:25–0:08:29
eine finanzielle Sicherheit zu haben, haben sich auch sozusagen die Dinge kaufen

0:08:29–0:08:31
zu können, die Dinge leisten zu können,

0:08:31–0:08:33
auf die man Lust hat, die man braucht.

0:08:34–0:08:38
Genau, dafür opfert der Markttyp aber auch einiges, was ich empirisch gefunden

0:08:38–0:08:41
habe, eben Zeit mit der Familie zum Beispiel.

0:08:42–0:08:47
Also er muss dann eben sehr viel arbeiten und genau, die Perspektive von diesem

0:08:47–0:08:51
Markttyp ist aber so, dass er ständig das Gefühl hat, er kann eigentlich gar nicht anders.

0:08:51–0:08:55
Also er muss jetzt noch mehr arbeiten oder er muss jetzt irgendwie den neuen

0:08:55–0:08:58
Job annehmen und sich befördern lassen oder mehr Verantwortung im Unternehmen.

0:08:58–0:09:05
Also diese Karriereleiter hochklettern letztendlich, weil das einfach muss,

0:09:05–0:09:08
weil es alternativlos ist, sozusagen unter den gegebenen Umständen.

0:09:08–0:09:14
Und die Vorstellungskraft reicht nicht, sich vorzustellen, dass es auch anders gehen würde.

0:09:14–0:09:19
Also wie könnte sein Leben anders aussehen, wenn er sich nicht komplett diesen

0:09:19–0:09:25
Strukturen ergibt und sich in diesem Markt orientiert.




Tobias


0:09:25–0:09:30
Ja, ja spannend. Ich glaube, da haben wir alle sofort so eine Person im Kopf, so aus unserem Umfeld.




Timo


0:09:30–0:09:33
Wen hast du denn im Kopf? Jemand berühmtes, Tobi?




Tobias


0:09:34–0:09:37
Jemand berühmt ist. Ich weiß jetzt nicht, ob Menschen in meiner Familie berühmt sind.




Timo


0:09:37–0:09:42
Aber Also du hast jemand aus deiner Familie im Kopf.




Tobias


0:09:42–0:09:42
Genau.




Timo


0:09:43–0:09:45
Ich musste direkt an Elon Musk denken.




Tobias


0:09:46–0:09:50
Ja gut, aber der ist ja nicht auf Suche des Jobs oder sowas,

0:09:50–0:09:55
was Anna jetzt beschrieben hat, sondern ist ja eher so ein Innovationsmarkt-Typ.

0:09:56–0:09:57
Gibt es das auch noch mit Innovation?




Hannah Heller


0:09:58–0:10:02
Naja, das würde ich da reinordnen. Also es gibt natürlich verschiedene Tina

0:10:02–0:10:04
Ranges, das war jetzt eher der Orthonormal-Typ.

0:10:04–0:10:10
Ich habe jetzt nicht Elon Musk interviewt, aber Elon Musk wäre sozusagen die

0:10:10–0:10:12
Zuspitzung dieses Markttyps.

0:10:12–0:10:17
Also ich habe selbstständige Kaufleute, Leute,

0:10:19–0:10:24
die als Geschäftsführer agieren, schon interviewt und die waren eben auch total

0:10:24–0:10:26
diesem Wachstumszwang unterworfen und diesem,

0:10:26–0:10:33
okay, wir müssen jetzt irgendwie noch ausbauen und wir müssen irgendwie hier

0:10:33–0:10:37
noch effizienter werden und hier noch am Personal sparen oder, oder, oder, oder.

0:10:38–0:10:42
Weil das eben sozusagen der Zwang ist, dem wir unterworfen sind und anders geht nicht.

0:10:42–0:10:45
Und interessanterweise auch mit Blick auf Transformation und Nachhaltigkeit

0:10:45–0:10:51
auch dieses, wir würden ja total gerne irgendwie gut wirtschaften im Sinne von

0:10:51–0:10:54
nachhaltig wirtschaften und ökologisch wirtschaften und auch wir würden voll

0:10:54–0:10:56
gerne höhere Löhne zahlen.

0:10:56–0:11:00
Es ist schon krass, dass die Gehaltsspanne in unserem Unternehmen so groß ist,

0:11:00–0:11:02
zwischen mir, dem Geschäftsführer und der armen Putzfrau.

0:11:03–0:11:07
Aber leider geht es nicht anders. Es muss halt so sein. Es ist einfach so,

0:11:07–0:11:08
wir können nicht anders.

0:11:08–0:11:13
Und das finde ich spannend. Und Elon Musk hat da sozusagen vielleicht noch eine

0:11:13–0:11:16
Vorstellungskraft mehr im Sinne von, ja, aber jetzt können wir ja auch noch

0:11:16–0:11:19
den Mars besiedeln als Lösung aller, was weiß ich, Probleme.

0:11:19–0:11:24
Aber dieses Denken, dass das System an sich, die Strukturen an sich alternativlos

0:11:24–0:11:28
sind, in dem steckt er, glaube ich, schon auch fest.




Tobias


0:11:28–0:11:31
Ja klar, auf dem Mars gibt es halt noch keinen Betriebsrat.




Hannah Heller


0:11:32–0:11:32
Praktisch.




Tobias


0:11:33–0:11:37
Praktisch. Ja, jetzt würde mich interessieren, also wir sind ja leider schon

0:11:37–0:11:44
irgendwie so gefestigt in diesem Marktdenken, dass es ja schon fast eine Tradition ist.

0:11:44–0:11:49
Deswegen würde ich mich drinnen ja schon interessieren, wie sich jetzt der Traditionstyp,

0:11:49–0:11:50
den du definiert hast, davon absetzt.




Hannah Heller


0:11:51–0:11:56
Also man muss sagen, ich habe in der Ernährungswirtschaft geforscht,

0:11:56–0:12:00
heißt meine Traditionstypen waren Landwirte und da muss ich auch nicht gendern,

0:12:00–0:12:02
das waren wirklich männliche Landwirte.

0:12:03–0:12:07
Und ich muss auch sagen, immer alles, was ich sage, ist jetzt sozusagen ein

0:12:07–0:12:14
empirisch entstandenes Konzept, aber es ist noch nicht quantitativ sozusagen bestätigt.

0:12:14–0:12:20
Also das sind meine Interpretationen von dem, was ich gehört und mit den Leuten besprochen habe.

0:12:21–0:12:25
Der Traditionstyp, wenn ich es jetzt mal verallgemeiner von der Ernährungswirtschaft

0:12:25–0:12:30
weg, ist einer, der aus Leidenschaft seinen Beruf ausübt.

0:12:30–0:12:33
Also ein Mensch mit ganz starkem Berufsethos.

0:12:34–0:12:41
Ein Mensch, der einfach seinem Beruf nachgeht. Zum Beispiel mein Vater hat schon

0:12:41–0:12:42
irgendwie Schuhe gepflegt,

0:12:42–0:12:46
deshalb pflege ich jetzt auch Schuhe oder mein Vater war schon in der Landwirtschaft

0:12:46–0:12:50
oder ich bin auf einem traditionellen Familienbetrieb aufgewachsen oder in einem

0:12:50–0:12:52
traditionellen Familienunternehmen und ich mache das,

0:12:53–0:12:56
weil ich das irgendwie mache oder keine Ahnung, meine Eltern waren schon Ärzte

0:12:56–0:12:58
oder KrankenpflegerInnen oder wie auch immer.

0:12:59–0:13:03
Deshalb stehe ich diesem Beruf sehr nahe und verbinde damit viel Werte und deshalb

0:13:03–0:13:05
gehe ich diesem Beruf auch nach.

0:13:07–0:13:09
Also Leute mit einem großen Berufsethos, die...

0:13:10–0:13:14
Ja, die das irgendwie aus einer traditionellen Bindung heraus machen.

0:13:14–0:13:17
Also in der Landwirtschaft war es ganz klar, waren es irgendwie familiengeführte

0:13:17–0:13:22
landwirtschaftliche Betriebe, die schon in der fünften Generation in der Familie waren.

0:13:22–0:13:27
Und die sind aufgewachsen mit dieser Natur und mit dem Acker und mit dem Traktor.

0:13:27–0:13:30
Und das ist das, was sie lieben und was sie weitermachen wollen.

0:13:31–0:13:36
Und der Traditionstyp ist verzweifelt, weil diese traditionellen Strukturen

0:13:36–0:13:42
eigentlich in den marktwirtschaftlichen Zwängen, in denen wir drinstecken,

0:13:42–0:13:45
gar nicht mehr funktionieren.

0:13:46–0:13:50
Also du kannst eigentlich nicht mehr traditionell dein Land bestellen oder mit

0:13:50–0:13:57
deinem, also zum Beispiel im Fall der Krankenpflege, kannst du nicht mehr deinen

0:13:57–0:13:59
Beruf so ausüben, wie du ihn gerne ausüben würdest,

0:13:59–0:14:03
weil du einfach wahnsinnig getrippet bist durch die ganzen Strukturen,

0:14:03–0:14:04
in denen wir drinstecken.

0:14:04–0:14:07
Die haben gar keine Zeit mehr, mit den Leuten zu sprechen, im Krankenhaus,

0:14:07–0:14:11
mit den PatientInnen, weswegen sie aber eigentlich ihren Beruf machen und lieben.

0:14:13–0:14:15
Sondern sind durch diese Marktsfänge hart getaktet.

0:14:15–0:14:20
Deshalb ist der Traditionstyp geprägt von Verzweiflung und Perspektivlosigkeit

0:14:20–0:14:22
und einer richtigen Existenzangst.

0:14:22–0:14:27
Und ich finde, so während ich meine Disco geschrieben habe, waren ja dann auch

0:14:27–0:14:31
die großen Proteste der Landwirte auf ihren Traktoren und eine richtige Wut

0:14:31–0:14:34
auf die Gesellschaft, auf die Strukturen, auf die Politik.

0:14:34–0:14:41
Auf die Politik, weil sie eben schon noch irgendwo, sie trauern so diesem Wohlstandskapitalismus

0:14:41–0:14:44
sozusagen dem deutschen Wirtschaftswunder nach, auch irgendwo,

0:14:44–0:14:48
wo irgendwie auch eine soziale Gerechtigkeit irgendwie vorgeherrscht hat und

0:14:48–0:14:54
solche Traditionsbetriebe auch einfach gut existieren konnten. Aber jetzt...

0:14:55–0:15:01
Ja, seit den 70ern, jetzt trifft dich ab, aber jetzt ist es eben immer schwieriger möglich,

0:15:01–0:15:04
auch weil immer mehr Standards von den Großhändlern, also nicht nur vom Staat,

0:15:04–0:15:09
sondern die sind auch gegängelt von jetzt in der Landwirtschaft vom Großhandel,

0:15:09–0:15:11
der ihnen einfach Preise vorschreibt.

0:15:11–0:15:16
Also wir haben noch vier Monopolisten, die unseren Lebensmittelhandel dominieren

0:15:16–0:15:20
und man kann sich zwischen den vier sozusagen entscheiden,

0:15:20–0:15:27
von wem man sich die wirklich niedrigen Preise, die unter den Entstehungskosten

0:15:27–0:15:29
oft liegen in der Landwirtschaft, von wem man sich die vorschreiben lässt.

0:15:29–0:15:33
Aber die sind alle fies gegenüber der Landwirtschaft.

0:15:33–0:15:38
Und in dieser Verzweiflung gehen die dann auf die Straße und die haben auch

0:15:38–0:15:40
keine Alternative vor Augen.

0:15:40–0:15:45
Ähnlich wie der Markttyp, nur dass der Markttyp eben irgendwie damit klarkommt

0:15:45–0:15:47
und irgendwie happy ist und nach seinen Erfolgszielen strebt.

0:15:47–0:15:52
So ist der Traditionstyp einfach am Ende mit den Nerven, mit dem Rücken zur

0:15:52–0:15:56
Wand und weiß nicht eigentlich, wie er weiter existieren soll in diesem System.




Timo


0:15:57–0:16:01
Was ich jetzt gerade so super spannend finde, wenn man die beiden Typen unterscheidet,

0:16:02–0:16:08
dann ist der Markttyp, sieht sich zumindest tatsächlich noch als Profiteur.

0:16:08–0:16:11
Also ich glaube, die Selbstbestreibung ist so, ich surfe auf der Welle,

0:16:11–0:16:15
während der andere versucht,

0:16:15–0:16:20
immer mal wieder quasi von der Welle verschluckt wieder aufs Surfspot zu kommen,

0:16:20–0:16:23
auf dem er früher doch mal auch gesurft ist.

0:16:24–0:16:27
Also wenn man so, wenn ich mir mal kurz das Bild erlaube und was ich,

0:16:27–0:16:30
ich will mal jetzt eine kleine persönliche Geschichte erzählen.

0:16:30–0:16:35
Ich war mit meiner Familie auf so einem Ausflugsbauernhof mit einem großen Café

0:16:35–0:16:42
und hab schon gedacht, okay, hier ist tendenziell dann vielleicht auch der Surfertyp

0:16:42–0:16:44
unter den Bauern, weil hat ja den Café und Ausflug und so weiter.

0:16:44–0:16:47
Und dann habe ich dann auch diese, ich weiß nicht, ob ihr die kennt,

0:16:48–0:16:56
das ist von den Bauernverbänden, solche plakativen Botschaften auf so einem Schild.

0:16:56–0:16:58
Und da habe ich gemerkt, dass ich da total sauer werde.

0:16:59–0:17:04
Und ich bin jetzt hier unterwegs und werde jetzt hier mit diesen politischen

0:17:04–0:17:07
Botschaften, die ich, und das muss ich auch wirklich sagen, ich glaube,

0:17:07–0:17:11
ein Problem, das ich dem Traditionstyp auch zusprechen würde,

0:17:11–0:17:13
ist so eine mangelnde Ausdrucksmöglichkeiten.

0:17:15–0:17:21
Also ich kenne das ein bisschen, mein Opa war auch Bauer, also noch deutlich

0:17:21–0:17:28
älter, aber für den hatte Sprache und Ausdruck auch überhaupt keine große Bedeutung,

0:17:28–0:17:29
sondern es ging nur ums Machen. haben.

0:17:30–0:17:34
Und was ich bei diesen traditionellen Bauern gerade erlebe ist,

0:17:34–0:17:36
dass die das auch nicht gut können.

0:17:36–0:17:44
Also die können sich nicht gut ausdrücken, was sie eigentlich wollen und tun es auf eine,

0:17:45–0:17:53
auf eine maximal destruktive, wütende Art und Weise, die ihnen in Teilen aber

0:17:53–0:17:54
auch gar nicht so gerecht wird.

0:17:54–0:17:58
Weil das habe ich nämlich erlebt. Ich bin nämlich in das angeschlossene Café

0:17:58–0:18:02
gegangen und habe gesagt, ich habe mich ein bisschen aufgeregt und ein bisschen

0:18:02–0:18:04
überlegt, was ich mache. War schon kurz davor eine Google-Bewertung zu schreiben.

0:18:05–0:18:07
Ich will den Geschäftsführer sprechen.

0:18:07–0:18:11
Ja, aber dann habe ich mich wirklich überlegt, ja gut, ich kann mich jetzt hier

0:18:11–0:18:14
anonym die Google-Bewertung machen. Also Marktlösung wählen,

0:18:14–0:18:15
nicht in Beziehung gehen.

0:18:17–0:18:21
Oder, gut, ich bin tatsächlich reingelaufen ins Café und habe dann gefragt,

0:18:21–0:18:23
wer ist denn hier die Betriebsleitung? Tatsächlich.

0:18:23–0:18:27
Und dann hat sie gesagt, ja, diesen Hof macht mein Bruder. Auch witzig,

0:18:27–0:18:30
auch traditionalistisch, so Familienbetrieb und so.

0:18:31–0:18:35
Und dann kam der tatsächlich dann raus. Und dann war das eigentlich ein ganz

0:18:35–0:18:37
interessantes und ruhiges Gespräch.

0:18:39–0:18:41
Und wir hatten eigentlich sehr viele Gemeinsamkeiten auf einmal.

0:18:41–0:18:47
Also die Gegner waren klar, wir alle finden landwirtschaftliche Gesetzgebung

0:18:47–0:18:50
total Mist und aber auch ganz interessante Sachen, wie wir zum Beispiel gesagt

0:18:50–0:18:53
haben, hey, ich möchte ja auch die Ukraine unterstützen,

0:18:53–0:18:58
aber ich kann jetzt nicht auf einmal mit ukrainisch, also mit nicht EU-Norm

0:18:58–0:19:00
Getreide konkurrieren.

0:19:00–0:19:02
So, ihr müsst an mich denken und so weiter.

0:19:03–0:19:06
Und das hat er eigentlich auch sehr vernünftig gesagt. Und dann habe ich gesagt,

0:19:06–0:19:09
so ja, und gleichzeitig sind die Botschaften an der Wand, ja,

0:19:09–0:19:12
das ist ein bisschen zu viel, aber ja, ich habe es jetzt halt mal gemacht und so.

0:19:12–0:19:17
Und da merkt man halt so eine mangelnde Form von Sensibilität einfach so.

0:19:17–0:19:21
Und gleichzeitig aber in der, was ich zum Ausdruck bringen will,

0:19:21–0:19:25
in dem persönlichen Gespräch war das sehr in Ordnung und auch machbar und möglich.

0:19:26–0:19:30
Nur, und auf der Ebene kann man mit denen auch reden. Ich glaube,

0:19:30–0:19:32
mit den meisten Traditionalisten kannst du auf der Ebene auch reden,

0:19:32–0:19:36
weil ich glaube, ich auch so agiert habe, wie die damit auch umgehen können.

0:19:37–0:19:42
Aber im politischen Raum muss man sie leider bekämpfen, weil man mit ihnen nicht

0:19:42–0:19:47
reden kann, so wie sie auftreten. Also die zertrampeln die Gesprächsbasis in

0:19:47–0:19:49
den Räumen, die sie selber gestalten.

0:19:49–0:19:53
Also ihre Demonstrationen, also jetzt bin ich mal richtig heftig,

0:19:53–0:19:56
das ist nicht der Ort, wo du mit denen redest, sondern da bin ich auch richtig hart,

0:19:57–0:20:01
würde ich sagen, da ist jedes einzelne, jeder einzelne Trecker,

0:20:01–0:20:04
der deine Straße blockiert, ist ab einem gewissen Zeitpunkt ein Tatmittel und

0:20:04–0:20:06
das ist Nötigung und der gehört konfisziert, ja.

0:20:06–0:20:10
Ja, so, aber auf anderen Ebenen, also ich glaube, was man merkt,

0:20:10–0:20:14
es braucht diese Gesprächsräume, die können wir denen aber nicht den Traditionalisten

0:20:14–0:20:16
überlassen, weil die nicht wissen, wie man die öffnet.




Hannah Heller


0:20:16–0:20:23
Ich will noch eine Stange brechen für den Traditionstyp, weil die,

0:20:24–0:20:28
das sieht man an so Katastrophen wie Ahrtal oder so, die passiert sind,

0:20:28–0:20:31
die haben einen wahnsinnigen Gemeinsinn.

0:20:31–0:20:39
Also die haben ein totales Gespür für Gemeinschaft, für Zusammenhalt, für Beziehungen auch.

0:20:39–0:20:44
Also da sind sie ganz, ganz stark drin und haben auch ihre Werte klar,

0:20:45–0:20:49
was auch total zukunftsorientierte Werte sind, interessanterweise.

0:20:49–0:20:53
Also diese Generationen, die in die Vergangenheit reichen, die reichen auch in die Zukunft.

0:20:54–0:20:59
Also dieses, ich will meinen Hof erhalten für meine Kinder und ich bin so sauer

0:20:59–0:21:03
auf die Politik, weil sie mir diese Zukunftsorientierung so nimmt.

0:21:03–0:21:07
Genau, ich bringe auch den Wert der Resonanz so mit ein.

0:21:07–0:21:10
Also wie stehe ich eigentlich zur Welt? Von Hartmut Rose, ein Konzept würde

0:21:10–0:21:14
jetzt zu weit führen, aber wie, in welcher Beziehung stehe ich eigentlich zur Welt?

0:21:14–0:21:17
In welcher Beziehung stehe ich zu mir und zu meiner Tätigkeit?

0:21:17–0:21:21
Und da sind Landwirte zum Beispiel auch eigentlich total stark.

0:21:21–0:21:29
Die stehen in einer total starken Beziehung zu ihrem Beruf einerseits, aber auch zur Natur.

0:21:29–0:21:32
Und ich würde behaupten, dass es beim Traditionstyp generell eben,

0:21:33–0:21:38
dass der total diese Resonanz zur Welt, sei es die Pflegerin mit ihren Patientinnen,

0:21:38–0:21:43
sei es die Kinder, wen auch immer du da nimmst, sei es der Schuhmacher zu seinen Kundinnen.

0:21:44–0:21:46
Diese Beziehung zur Welt total relevant ist.

0:21:46–0:21:50
Ist für die während der Markttyp, würde ich sagen, eher orientierungslos ist,

0:21:50–0:21:54
was seine Werte betrifft, was auch die Resonanz zur Welt betrifft.

0:21:54–0:21:58
Also der Markttyp, wenn man ihn wirklich so pauschalisieren will und auch so

0:21:58–0:21:59
einen Idealtyp runterbrechen will,

0:22:00–0:22:03
dann würde ich sagen, dass der gar nicht weiß,

0:22:03–0:22:08
was für Werte er verfolgt und deshalb eben auch so sozusagen leicht steuerbar

0:22:08–0:22:13
ist durch diesen Markt und eben auch nicht in Resonanz, in Beziehung zur Welt

0:22:13–0:22:15
steht, sondern eher in der Gleichgültigkeit.

0:22:17–0:22:21
Sozusagen jetzt dem Weltuntergang auch zusieht. Also diese Gleichgültigkeit,

0:22:21–0:22:23
die wir erleben in der Gesellschaft gegenüber den Katastrophen,

0:22:23–0:22:27
die uns bevorstehen, ist halt für mich total schwierig aushaltbar.

0:22:28–0:22:31
Und da kann ich eher so eine Wut von so einem Traditionstyp kann ich eher mit

0:22:31–0:22:34
umgehen als mit so einer Gleichgültigkeit.

0:22:34–0:22:38
Ja, weil die Wut ist berechtigt. Ich halte die für berechtigt.

0:22:38–0:22:41
Die ist vielleicht nicht gegenüber der Ampel berechtigt, weil,

0:22:41–0:22:48
aber jetzt werden wir politisch, aber die ist berechtigt und Und ich finde die richtig.

0:22:48–0:22:52
Und diesen Impuls muss man eigentlich aufnehmen. Und diese Existenznot,

0:22:52–0:22:57
Wut, Perspektivlosigkeit der Traditionstypen, die muss jetzt irgendwo hin.

0:22:57–0:23:00
Und da wären wir dann beim Transformationstyp.




Timo


0:23:00–0:23:05
Ich glaube, was ich jetzt schon merke, ist so, als der Markttyp und die Menschen,

0:23:05–0:23:10
für die er lobbyiert, also die Christian Lindners und so, verbocken hast.

0:23:11–0:23:15
Und was passiert? Ist es dann, dass der Traditionstyp wütend wird?

0:23:15–0:23:18
Und das ist im Grunde ja eigentlich aber auch schon immer die Gefahr gewesen.

0:23:19–0:23:22
Also es war ja eigentlich auch, damit haben die Bauernverbände ja auch direkt

0:23:22–0:23:26
nach dem Zweiten Weltkrieg direkt auch ziemlich krass gespielt und gesagt,

0:23:26–0:23:30
hey, wenn es jetzt, also warum gab es direkt nach dem Zweiten Weltkrieg diese

0:23:30–0:23:35
super krassen, warum hat die EU diese super krassen Subventionen für Bauern

0:23:35–0:23:37
und so weiter immer auch,

0:23:37–0:23:40
weil die Bauern gesagt haben, hey, ihr müsst uns unterstützen so,

0:23:40–0:23:44
damit wir quasi die Demokratie weiterhin unterstützen so.

0:23:44–0:23:47
Und das ist auch das, was ich jetzt gerade so ein bisschen aus meiner soziologischen

0:23:47–0:23:49
Perspektive durchaus auch immer wieder durchschimmern sehe, dass die,

0:23:50–0:23:53
Wenn man mit ihnen individuell spricht, man sehr gut reden kann,

0:23:53–0:23:59
aber sie als Kollektiv, dass da das Verhetzungspotenzial unglaublich groß ist.

0:23:59–0:24:03
Ich sehe das auch so, ich sehe sie ja auch sehr stark so aus einer handwerklichen

0:24:03–0:24:04
Perspektive. Also ich sehe das auch so.

0:24:05–0:24:10
Und diese große Maß an Verletzungen, aber immer auch gepolt mit,

0:24:10–0:24:12
und ich weiß nicht, ob ich mich da jetzt gerade echt unbeliebt mache,

0:24:13–0:24:18
mit einer sehr überschaubaren, gut, böse, also schlecht und gut,

0:24:18–0:24:20
ein einfaches Weltbild.

0:24:20–0:24:24
Und deswegen finde ich jetzt gerade total so, und das macht die Sache schwierig,

0:24:24–0:24:27
mit denen quasi zu diskutieren, weil man ist entweder für sie oder gegen sie.

0:24:28–0:24:34
Aber diesen Mittelteil, wo die Veränderung passiert, da bin ich jetzt sehr gespannt,

0:24:34–0:24:37
was der Transformationstool damit macht.




Tobias


0:24:37–0:24:43
Ja, ich auch. Deswegen gebe ich die Frage einfach weiter. Was ist denn der Transformationstyp?

0:24:43–0:24:44
Was macht ihn besonders?

0:24:45–0:24:49
Und ist er toller als die anderen? Oder hat er auch seine Tücken?




Hannah Heller


0:24:50–0:24:53
Ja, also genau, der Transformationstyp ist auf jeden Fall der,

0:24:53–0:24:57
da leuchtet es nicht so direkt ein, aber vielleicht können sich trotzdem die

0:24:57–0:25:01
Leute, die für die Transformation einstehen, die Pioniere des Wandels,

0:25:01–0:25:02
so nenne ich sie in meiner Arbeit,

0:25:02–0:25:05
trotzdem damit identifizieren.

0:25:05–0:25:09
Also grundsätzlich fühlen die sich erstmal nicht zugehörig zu den Strukturen,

0:25:09–0:25:10
in denen wir drinstecken.

0:25:10–0:25:13
Also man, als Transformationstyp hat man sozusagen die ganze Zeit das Gefühl,

0:25:14–0:25:18
irgendwie so, irgendwie ist das alles super weird um mich rum.

0:25:18–0:25:25
Und kann doch nicht sein, dass wir in so zerstörerischen, destruktiven Strukturen

0:25:25–0:25:30
leben und fühlen sich die ganze Zeit als Alternative dazu. Also, ne...

0:25:31–0:25:35
So ein bisschen als schwarzes Schaf in der Familie, weil es irgendwie andere

0:25:35–0:25:38
Beziehungsformen führt oder als, wie auch immer.

0:25:38–0:25:42
Also in ganz vielen kulturellen Facetten, die unsere Gesellschaft gerade so

0:25:42–0:25:47
prägen, fühlen sie sich irgendwie nicht angepasst, nicht zugehörig.

0:25:47–0:25:53
Dann ist es, wenn man sozusagen aus dieser Nichtzugehörigkeit entstehen aber

0:25:53–0:25:57
Gemeinschaften, in denen dann Zugehörigkeit sozusagen gebündelt wird.

0:25:57–0:26:00
Und wo man sagt, okay, ich gehöre jetzt zu der Gruppe, zu dem Verein,

0:26:00–0:26:05
zu der Organisation an, die eben anders ist, die alternativ ist, die es anders macht.

0:26:05–0:26:10
Und ganz wichtig für die ist diese Erfahrung von Selbstwirksamkeit,

0:26:10–0:26:14
von Selbstorganisation, also von so einer qualitativen Freiheit,

0:26:14–0:26:18
sage ich, wo man wirklich selbstverantwortlich auch Entscheidungen treffen kann

0:26:18–0:26:22
und auch über die eigenen Strukturen, in denen man arbeitet, in denen man lebt,

0:26:22–0:26:28
in denen man auch zur Gesellschaft beiträgt, handlungsfähig ist und nicht mehr

0:26:28–0:26:31
so ohnmächtig und mit diesem Unwohlsein, ich gehöre nicht dazu.

0:26:32–0:26:37
Die Transformationstypen suchen nach, deshalb auch, also um diese Freiheit zu

0:26:37–0:26:41
leben, suchen sie auch nach einer großen Unabhängigkeit von Markt und Staat.

0:26:41–0:26:45
Also man will sich eigentlich nicht abhängig machen von Fördergeldern vom Staat,

0:26:45–0:26:51
Man will sich aber auch nicht abhängig machen von Marktkennzahlen letztendlich,

0:26:51–0:26:56
von dieser Preissetzung des Marktes,

0:26:56–0:27:00
sondern man will sich eine gewisse Unabhängigkeit bewahren.

0:27:00–0:27:04
Genau, und dann spielen so Werte wie Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit,

0:27:04–0:27:09
also Klimagerechtigkeit eine große Rolle, soziale Innovationen etc.

0:27:10–0:27:17
Aber es ist eben immer dieses, sie haben selbst auch noch keine Worte sozusagen für ihre eigenen Ziele.

0:27:17–0:27:23
Es ist eher eine Abgrenzung zu dem Status quo, zu dem sie nicht dazugehören

0:27:23–0:27:27
wollen und immer diese Perspektive, es muss sich verändern, es muss anders werden.

0:27:27–0:27:33
Und diese starke Suche nach Beziehung, also wirklich in Resonanz zu sein mit

0:27:33–0:27:39
sich, also viel auch so Selbstheilung, wer bin ich eigentlich.

0:27:40–0:27:45
Was macht mich aus, wie komme ich gut auf mich klar,

0:27:45–0:27:49
so ungefähr auch Beziehungen zu anderen Menschen, wie gelingen Beziehungen zu

0:27:49–0:27:53
anderen und auch die Suche nach einer gewissen Tiefe in den Beziehungen und

0:27:53–0:27:55
dann eben auch diese Verbindung zu Menschen,

0:27:56–0:28:00
der Menschheit als Spezies. Also die nehmen einfach diese ganze planetare Bedrohung

0:28:00–0:28:05
unserer Menschheit im Anthropozän, das waren jetzt ganz viele verrückte Worte,

0:28:05–0:28:11
aber wir sind in einem neuen geologischen Zeitalter sozusagen angekommen.

0:28:12–0:28:15
Wissenschaftlich wird es gesagt, das Anthropozän. Und diese Verantwortung,

0:28:16–0:28:19
die wir Menschen in diesem neuen Erdzeitalter für den Planeten haben,

0:28:19–0:28:25
das spüren Transformationsmenschen ganz, ganz stark und sind sich da ihrer Verantwortung bewusst.

0:28:25–0:28:29
Bewusst und wollen die auch, genau, wollen die auch gerecht werden.

0:28:31–0:28:35
Ja, das vielleicht in Kürze, genau. Und ich habe jetzt sozusagen vier Elemente

0:28:35–0:28:39
in meiner Arbeit identifiziert,

0:28:40–0:28:44
sozusagen diese vier Elemente, nach denen der Transformationstyp strebt und

0:28:44–0:28:48
was, wie unsere Gesellschaft nach der Transformation sozusagen sein sollte,

0:28:48–0:28:52
sind einerseits diese Resonanz, also in Resonanz zur Welt zu stehen,

0:28:52–0:28:54
was ich jetzt schon ein paar Mal erwähnt habe,

0:28:54–0:28:59
dann qualitativ frei zu sein, wirklich in Verantwortung zu gehen und eigenverantwortlich

0:28:59–0:29:02
Entscheidungen zu treffen und nicht immer irgendwas auf den Markt oder auf den

0:29:02–0:29:07
Staat zu schieben, sondern wirklich selbst in Verantwortung zu gehen.

0:29:07–0:29:12
Dann Gemeinsinn, also sich für Gemeinschaft, für Gesellschaft verantwortlich

0:29:12–0:29:16
zu fühlen, was ich vorhin bei dem Traditionstyp Landwirt schon erwähnt habe.

0:29:18–0:29:22
Und Gleichberechtigung, also Menschen auf Augenhöhe begegnen,

0:29:22–0:29:26
Nicht in Hierarchien zu denken, sondern wirklich gleichberechtigt miteinander umzugehen.

0:29:27–0:29:33
Ja, das wären die vier, die sozusagen dann als neue Ziele nach Wachstum und

0:29:33–0:29:37
Wohlstand und Fortschritt und Geld und so weiter kommen sollten, kommen könnten.




Tobias


0:29:37–0:29:42
Sehr schön, da sehe ich mich. Schwingt direkt ganz viel mit bei den vier Zielen,

0:29:42–0:29:43
die du da definierst hast.




Timo


0:29:43–0:29:48
Ja, auf jeden Fall kann ich auch so gehen. Und gleichzeitig sind wir ja nicht

0:29:48–0:29:50
im luftleeren Raum unterwegs.

0:29:51–0:29:57
Also wir sind ja unterwegs quasi, also einmal auch in unserem unternehmerischen

0:29:57–0:30:02
Handeln haben wir mit Traditionstypen und Markttypen zu tun.

0:30:02–0:30:05
Ja, also wenn wir der Unverpackt-Laden, mit dem wir zusammenarbeiten,

0:30:06–0:30:08
als nächstes auf den Bauern zugeht, treffen wir auf den Traditionstyp.

0:30:08–0:30:11
Wenn wir auf den Großhandel treffen, tendenziell auf den Markttyp,

0:30:11–0:30:15
wobei da müssen wir auch sagen, Großhandel gibt es natürlich auch nochmal sehr

0:30:15–0:30:22
große, also gibt es, als Bio-Bereich ist er eher dezentraler zum Beispiel als jetzt bei den Großen.

0:30:22–0:30:26
Aber auch da so der, das Spannende ist, glaube ich, dass der,

0:30:26–0:30:32
das, was den Transformationstyp auch nochmal ausmacht, ist, dass er einen geringen

0:30:32–0:30:33
Organisationsgrad hat,

0:30:33–0:30:36
selbst keine gute Sprache hat für das,

0:30:36–0:30:41
was er ausdrücken will und auf andere Akteure trifft, wie die Raditionalisten

0:30:41–0:30:49
oder den Marktyp, die eine gewisse sprachliche Sozialisation hinter sich und

0:30:49–0:30:51
auch Verbände haben, die das vertreten.

0:30:51–0:30:54
Also also.

0:30:55–0:30:58
Könnt ihr mal mit der Stoppuhr nachrechnen, zwischen der Zeit,

0:30:58–0:31:01
wo die Bauern auf die Straße gegangen ist und dieses Gesetz da gekippt wurde.

0:31:03–0:31:07
Und ich glaube, das ist, glaube ich, für den, das spüre ich sehr stark.

0:31:07–0:31:11
Und ich glaube, das ist auch, was wir für uns selber, glaube ich, lernen müssen.

0:31:12–0:31:14
Auf der einen Seite, klar, wir müssen eine Sprache entwickeln,

0:31:14–0:31:18
aber wir müssen, glaube ich, auch diese Sensibilität und dieses Spannungsfeld,

0:31:18–0:31:21
weil was wir noch überhaupt nicht besprochen haben, ist dann die Auseinandersetzung

0:31:21–0:31:24
wiederum mit dem Staat und der Regulierung.

0:31:24–0:31:27
Also der Transitionstyp ist für mich auch eher so ein Hacker.

0:31:28–0:31:31
Also der versucht gar nicht, irgendwie Regulierung zu ändern,

0:31:31–0:31:34
kommt überhaupt nicht in seinen Sinn, weil er denkt, das ist sowieso chancenlos.

0:31:34–0:31:39
Der versucht eher, bestehende Regulierungen zu hacken und hat deswegen aber

0:31:39–0:31:42
auch, also muss er dreimal laufen.

0:31:42–0:31:48
Also zum Beispiel, während ein Bauer eine Rahmensubvention hat,

0:31:48–0:31:52
die er ganz einfach abrufen kann, gibt es für andere sowas nicht.

0:31:52–0:31:58
Und auch spannend für den Markttyp, ich finde die Unterscheidung sehr,

0:31:58–0:32:03
sehr fruchtbar, dass der Mensch einfach felsenfest dafür überzeugt davon ist,

0:32:03–0:32:05
dass das ein Naturzustand ist, in dem er lebt.




Tobias


0:32:05–0:32:06
Auch verrückt.




Hannah Heller


0:32:06–0:32:10
Und dann haben wir noch gar nicht über die Transformation gesprochen.

0:32:10–0:32:14
Also sozusagen, ich hatte ja auch, es gibt die Systemdienstleister,

0:32:14–0:32:17
die sozusagen diese Typen so ein bisschen vereinen in meinem Bild,

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also die auch eben helfen bei der Transformation vom Traditionstyp hin zum,

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Transformationstyp und vom Markttyp auch hin zum Transformationstyp.

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Und dann gibt es eben auch ganz viele Graubereiche zwischen den Typen.

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Also so klar, wie wir das jetzt abgegrenzt haben, ist es meist nicht in der

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Realität, aber genau, wie sich dann solche Menschen verändern und ihre Organisationen

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mit verändern, das ist dann nochmal eine spannende Frage.

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Und was heißt eigentlich Transformation und wie tief geht die?




Tobias


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Und da hast du jetzt schon einen super guten Cliffhanger gemacht.

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Gemacht. Das werden wir nämlich in der nächsten Folge besprechen.

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Wir haben heute mal so einen ersten Eindruck, so die Typen definiert und ja,

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ich freue mich auf Teil 2, wo es dann ein bisschen mehr in die Tiefe geht,

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wie wir über Transformationen sprechen und eigentlich all das,

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was du gerade schon gesagt hast.

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Ja und deswegen bedanke ich mich ganz herzlich. Das war ein sehr,

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sehr guter Start, finde ich.

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Spannendes Thema und ja, vielleicht kann ja jede Hörerin und jeder Hörer mal,

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ja so ein bisschen graben, was er denn selbst oder was sie denn selbst für ein

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Typ ist, wo sie sich da sieht.

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Super, ja, danke euch beiden.




Hannah Heller


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Ja, vielen Dank. War spannend.




Tobias


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Ich mache hier mal ein Schleifchen drum und bei allen unseren Zuhörenden bedanke

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ich mich für die Aufmerksamkeit. Tschüss.




Hannah Heller


0:33:32–0:33:33
Tschüss.




Timo


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Und die Podcast-Gemeinschaft nicht vergessen.